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Album

Alles böse oder was?

13. März 2017

Natürlich war früher nicht alles besser. Das weiss ich. Und ich bin ja auch sehr froh, dass vieles eben nicht mehr so ist wie früher. Aber gewisse Dinge waren früher unverfänglicher und – wie ich finde – «normaler». Früher konnten wir vertrauensvoller durch die Welt gehen, ohne hinter jeder Person, jedem Wort, jeder Tat etwas Ungutes zu vermuten. Heute hingegen sehen wir nicht selten Gespenster, wo es keine gibt. Manchmal habe ich das Gefühl, dass wir sogar regelrecht danach suchen. Verstehen Sie mich richtig: Ich finde es absolut richtig und wichtig, dass wir uns gemeinsam mit unseren Kindern offen und direkt mit dem Thema sexuelle Übergriffe auseinandersetzen und mit ihnen heikle Situationen im Alltag zwischen Erwachsenen und Kindern analysieren und besprechen, um sie vor möglichen Grenzverletzungen zu schützen. Doch als Südländerin befremdet es mich, und es macht mich auch traurig, wenn wir heutzutage schon fast militant dazu neigen, hinter jeder noch so gut gemeinten Berührung kategorisch eine hinterhältige Grenzüberschreitung zu erkennen.

Ich kenne das anders: Wir Südländer sind «touchy», wir berühren, wir umarmen, wir küssen und ja, wir kneifen manchmal Kinder auch in die Wange, ohne jemals einen Hintergedanken dabei zu haben. Dass viele Erwachsene heute in dieser Frage schon fast eine Paranoia entwickelt haben, könnte mir ja eigentlich egal sein. Was ich allerdings nicht möchte: dass diese ungefiltert und undifferenziert unseren Kindern übertragen wird. Mit offenen, wachsamen Augen durch die Welt zu gehen ist richtig, überall Böses zu wittern, ist einfach nur schade und auch unfair.

Rita Angelone (48) hat zwei Kinder (10 und 8). www.dieangelones.ch

 

 

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