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Gut zu wissen

Ausländische Kriegsverletzte im Kurort Flüelen, Sommer 1916. Bild: Keystone

Sommer 1916: Bergidylle mit "Rigoletto"

Von: Jan Strobel

19. Juli 2016

Wohin es die Zürcher vor hundert Jahren in die Sommerfrische zog.

Der Sommer hatte im Jahr 1916 eigentlich nur eine Farbe und einen Geruch: blutrot und verwesend. Im Juli und August verloren Hunderttausende junger Männer auf den Schlachtfeldern an der Somme und am Isonzo ihr Leben. In Europa wütete in diesen Kriegswochen ein Massensterben nie gekannten Ausmasses.

In Zürich brachen derweil die Sommerferien an, oder, wie man sie damals nannte, die «Sommerfrische», freilich überschattet von «Krieg und Schrecken», wie die NZZ die surreale Stimmung zu umschreiben versuchte. Die Zürcher Sommerfrischler und Kurfahrer zog es zuerst einmal in die unmittelbare Nachbarschaft, in die Idylle am Zürich-, am Walen- oder am Ägerisee. Beliebt war bei den Kurgästen aus der Stadt zum Beispiel das Sanatorium Fellenberg in Erlenbach mit seiner fleischlosen Diät. Wanderer wiederum suchten Licht und Luft auf dem Zugerberg oder in Ober­ägeri, wo sie auf der Terrasse der Pension Gütsch das Panorama auf Ägerisee und Berge genossen. Wer es sich leisten konnte, verbrachte die Sommerfrische natürlich gerne in den grossen alpinen Kurorten.

Trotz Weltkrieg und dem Rückgang internationaler Besucher vermeldete Davos im August 1916 nur Positives: Die Zahl anwesender Kurgäste und Touristen sei auf 2500 vorgerückt – so viel wie seit dem letzten Friedenssommer 1914 nicht mehr. Für Unterhaltung sorgten unter anderem zahlreiche Promenaden- und Parkkonzerte. Das Zürcher Opernhaus gab ein Gastspiel im Kurhaus mit Verdis «Rigoletto» und Rossinis «Der Barbier von Sevilla». Optimistische Zahlen kamen auch aus Klosters, wo «der Touristenverkehr mächtig zugenommen» habe. Am 1. August veranstaltete der Kurverein unter Mitwirkung einiger Gäste ein Wohltätigkeitskonzert zugunsten «erkrankter schweizerischer Wehrmänner».

Die zerstörerischen Krallen des Kriegs reichten allerdings auch bis in die Kuridylle der Zürcher: In Davos oder Flüelen zum Beispiel mischten sich unter die Kurgäste auch deutsche Kriegsverletzte und Internierte, die hier untergebracht wurden. In ihren Gesichtern spiegelte sich die Hölle der Schlachtfelder wider.

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