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Interview

Ein Roboter kümmert sich um einen Senior: Szenen wie hier im Film «Robot and Frank» (2012) werden bald Realität. Bild: Ascot Elite

"Der Job des Piloten könnte verschwinden"

19. November 2013

Letzte Woche wurde in der Migros das kontakt­lose Bezahlen eingeführt. Mit den technischen Entwicklungen dürften Kassier und andere Jobs in den nächsten Jahren obsolet werden. Karin Frick, Forschungsleiterin am Gottlieb-Duttweiler-Institut (GDI), wagt einen Blick in die Arbeitswelt der Zukunft.

Karin Frick, ist der Job der Kassiere vom Aussterben bedroht?

Karin Frick: Ja, in Zukunft wird es kaum noch Personal und Kassen brauchen. Denken wir die heutige Entwicklung weiter, dann wird der Einkaufskorb automatisch die Produkte registrieren und den Endbetrag vom eigenen Konto abziehen. Dafür gibt es viele Möglichkeiten, sei es eine App oder ein Funk­system wie bereits heute mit dem Paypass. Denkbar wäre auch, dass jeder Kunde eine Flatrate bei Migros und Coop hat, wie heute beim Handyabo. Der einzige Grund für eine Schleuse beim Ausgang wäre die «gefühlte Kontrolle», damit sich die Leute bewusst werden, wie  viel sie ausgegeben haben.

Dass Maschinen die Menschen ersetzen, war ein lang gefürchtetes Szenario in den Science-Fiction-Filmen des 20.  Jahrhunderts. Ist es nun so weit?

Karin Frick: Diese Entwicklung hat bereits vor bald 200 Jahren mit der industriellen Revolution begonnen. Wir stehen vor der nächsten industriellen Revolution mit einer neuen Generation von Maschinen und Robotern, die nun viele Arbeiten übernehmen können, die bisher nur Menschen machen konnten.

Welche anderen Berufe werden dadurch verschwinden?

Frick: Taxi- und Tramfahrer, Lokführer und Piloten. Denn Autos, Trams, Züge und Flugzeuge werden von allein verkehren. Der Google Car, der in Nevada und Kalifornien (USA) seit zwei Jahren zugelassen ist, fährt bereits ohne Lenker. Auch Hausarbeit und Gebäudereinigung werden maschinell erledigt werden. Zudem werden Roboter die Pflege übernehmen, in Japan ist das schon der Fall.

Das sind alles mechanische Arbeiten. Können Maschinen auch Denkaufgaben übernehmen?

Frick: Natürlich eignen sich Maschinen besonders für einfache und repetitive Arbeiten. Aber auch die künstliche Intelligenz wird Fortschritte machen. Heute ist Siri, der iPhone-Assistent, noch ziemlich dumm, aber in Zukunft werden wir unser Handy wie einen Experten befragen können. Der tragbare Computer wird uns Fachwissen liefern wie auch die nächste Reise nach Paris buchen. In diesem Sinn fällt auch der Job des Assistenten weg.

Das ist bedenklich. Wird es mehr Arbeitslosigkeit geben?

Frick: Wenn smarte Maschinen eine Arbeit besser und günstiger erledigen können als Menschen, werden diese ersetzt – vorausgesetzt, ein Unternehmen will wettbewerbsfähig bleiben. Erfolgreiche Technologie-Konzerne wie Facebook, Google und Amazon zeichnen sich dadurch aus, dass sie jetzt schon alle Prozesse automatisieren und somit pro Mitarbeiter viel mehr Umsatz erzielen als traditionelle Unternehmen.

Entstehen denn keine neuen Jobs?

Frick: Es wird sicher eine Verschiebung der Arbeit geben. So braucht es für die Wartung der Maschinen Personal mit neuen Qualifikationen. Und es wird auch Tätigkeiten geben, in denen der Mensch immer besser als die Maschine sein wird, unter anderem auch darin, die nächste Generation von Maschinen zu erfinden. Auch in der Renovation von alter Substanz, welche vor allem in Europa vorhanden ist. Es gibt schliesslich auch das neue Crowdsourcing. Damit werden Aufgaben an Freiwillige übers Internet vermittelt, Amazon Mechanical Turk ist ein Beispiel davon. Hier erledigen Menschen einfache digitale Arbeit, die Maschinen nicht beherrschen, wie Bilder taggen, Umfragen ausfüllen oder Fehler finden.

Davon können aber kaum alle leben.

Frick: Es wird tendenziell weniger Jobs für die Menschen geben, vor allem bei unqualifizierten Arbeiten. Aber wie sich die Gesellschaft neu organisieren wird, ist noch nicht absehbar. Eine mögliche Lösung wäre ein Grundeinkommen. Die Firmen, welche durch die Maschinen ihre Produktivität gesteigert haben, müssten eine Robotersteuer abgeben, welche dann in der Bevölkerung als Mindestlohn verteilt wird.

Die fehlende Arbeit schafft viel Freizeit. Werden wir uns hauptsächlich vergnügen?

Frick: Die Freizeit bewegt sich weg vom Spass. Arbeit ist für uns Menschen sinnstiftend, wir wollen arbeiten. Wir werden unsere Zeit daher brauchen, um etwas zu tun, woran wir glauben, vermehrt unentgeltlich. Wir werden uns in Freiwilligenarbeit engagieren, die Sinn, Freude und spannende Kontakte bietet. Denkbar ist auch, dass wir zur Selbstversorgung zurückkehren und in der freien Zeit unser eigenes Gemüse anpflanzen.

Die Menschen versorgen sich wieder selbst. Ist das nicht ein Rückschritt?

Frick: Nein, vielmehr ein Luxus. Wir werden mehr Zeit haben, und das Notwendigste wird automatisch hergestellt. Da können wir es uns leisten, zu Hause einen Garten zu haben oder Hühner zu halten. Auch Gegenstände werden wir selber anfertigen. Denn in jedem Haushalt wird es einen 3-D-Drucker geben, der von Schuhen bis Stühlen alles produzieren kann. Den Fachhandel wird es langfristig immer weniger brauchen. Wir werden weniger kaufen. Do-it-yourself ist bereits heute im Trend. Handwerk wird zunehmend romantisiert, es weckt eine Nostalgie nach vergangenen Zeiten. Es ist die Kehrseite der Technologie.

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