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Interview

Andi Hess, Abteilungsleiter Lehren und Lernen im Schul- und Sportdepartement: «Wenn man heute ein Kind auf das Leben vorbereiten will, gehört digitale Medienkompetenz einfach dazu.» Bild: PD

"Der Unterricht der Zukunft wird digitaler sein"

03. Februar 2015

Digital Natives: Geht es nach Exponenten aus Wirtschaft und Politik, soll Zürich zur digitalen Hauptstadt Europas werden und mit Städten wie New York oder Tel Aviv gleichziehen. Doch wie sieht es mit dem digitalen Wissen unseres Nachwuchses aus? Welche Rolle spielen die Schulen? Wir sprachen mit Andi Hess von der Fachstelle Kits für Kids des Schul- und Sportdepartements, welche die digitale Medienkompetenz der Zürcher Schüler fördert.

Andi Hess, grundsätzlich gefragt: Wie sieht es in Zürich mit der digitalen Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen aus?

Andi Hess: Gemäss der aktuellen James-Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften besitzen 97 Prozent der Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren ein Smartphone. 2012 waren es noch 79 Prozent. Daran sehen Sie, wie rasant der Wandel vonstattengeht, wie die digitale Welt selbstverständlich zum Alltag gehört. Neben den Smartphones hat auch die Nutzung von Tablets stark zugenommen. Das heisst auch: Konventionelle Medien verlieren an Bedeutung. Die Jugendlichen kommunizieren über Facebook, Instagram, WhatsApp und schreiben eher selten Mails. Das Telefonieren nimmt ab. Kurz gesagt: Heute tragen Jugendliche eine digitale Medienzentrale im Hosensack.

Wie sieht das bei den unter 12-Jährigen aus? Was beobachten Sie an den Schulen?

Bereits in der 4. Klasse besitzen viele Kinder ein eigenes Smartphone. Selbst die Kleinsten können schon Smartphones und Tablets bedienen, die Funktion dieser Geräte wird von Kindern sehr schnell erfasst. Das zeigen auch unsere Versuche, die wir derzeit in vier Klassen mit Tablets durchführen, um zu testen, wie wir diese Geräte in den Unterricht integrieren können.

Die praktische Bedienung ist das eine; aber können Kinder digitale Medien auch gefahrlos und verantwortungsbewusst bedienen?

Hier spielt die Unterstützung durch die Eltern, die Geschwister und natürlich die Schulen eine entscheidende Rolle. Es geht um einen sinnvollen Umgang, um das Wissen darüber, was man da eigentlich genau tut. Kinder haben unter Umständen nur eine vage Vorstellung davon, welche Konsequenzen beispielsweise ein unbedarfter Post auf einer einschlägigen Plattform zur Folge haben kann.


Hier kommt auch die Fachstelle Kits für Kids ins Spiel. Was genau sind ihre Aufgaben?

Wir unterstützen die Lehrpersonen bei der Arbeit mit digitalen Medien, damit die Schüler sie produktiv und sinnvoll nutzen können. Die Fachstelle vermittelt Medienbildung und  Anwendungskompetenzen. Darüber hinaus arbeiten wir eng mit den Fachstellen Gewaltprävention, Kriminal- und Verkehrsunfallprävention und der Suchtprävention zusammen. Wir legen den Fokus also auch auf Phänomene wie Cybermobbing oder Übergriffe im Netz. Letztlich geht es auch um Wertevermittlung. Dazu haben wir den Kits-Pass entwickelt, einen Computer-Führerschein, mit dem die Schülerinnen und Schüler ihre erworbenen Fähigkeiten ausweisen können. Sie sollen in unseren Programmen lernen, dass es um Inhalte geht und dass sie nicht bloss vor Maschinen sitzen.

Wieviele Computer setzt die Fachstelle derzeit in den Zürcher Schulen ein?

Im Moment sind es 7000 Computer und Notebooks, die in städtischen Schulen zum Einsatz kommen. 

Sie sprachen vorher von Wertevermittlung. Welche Werte sind damit gemeint?
Zum Beispiel der Umgang mit der Privatsphäre, überhaupt die Umgangsformen im Netz. Dann stellt sich auch die Frage: Wann brauche ich eigentlich mein Smartphone oder mein Tablet wirklich? Bin ich fähig, mich auch mal bewusst aus der digitalen Welt zurückzuziehen? Was wir immer wieder feststellen können, ist, dass der Grossteil der Jugendlichen durchaus selbstreflektiert mit digitalen Medien umgeht. Sie können ihr eigenes Medienverhalten einschätzen.


Können auch die Zürcher Lehrer, die ja meist noch nicht zu den Digital Natives zählen, kompetent mit digitalen Medien umgehen? Oder müssen sie heute von den Schülern lernen?

Es findet gerade ein Wandel statt, der natürlich seine Zeit braucht. – Wir haben seit Beginn von Kits für Kids alle Lehrpersonen geschult und verfügen heute auch über ein breites Weiterbildungsangebot. Es ist selbstverständlich für eine Lehrperson, dass sie ebenfalls digitale Medienkompetenz mitbringt oder sie nachträglich erwirbt. Die Schule ist ja immer auch ein Abbild unserer Gesellschaft. Auch sie wird sich stark verändern. Der Unterricht der Zukunft wird digitaler, individualisierter sein. Da eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten. Dieser Entwicklung wird gerade im Lehrplan 21 Rechnung getragen.

Kümmert sich Kits für Kids eigentlich auch um Kindergärten und Horte?

Die pädagogische Hochschule Zürich empfiehlt, möglichst früh mit Medienbildung zu beginnen. Die Vorstellungen über das richtige Alter für den Start mit digitalen Medien sind aber noch sehr unterschiedlich.

Die Fachstelle startete bereits 2002. Welche Veränderungen können Sie feststellen?

Die drastischste Veränderung sehe ich in der allgegenwärtigen Verfügbarkeit von Information. Es ist unglaublich schwierig, in diesem gewaltigen digitalen Raum Schranken zu setzen. Diese Entwicklung verhindern zu wollen, ist dabei nicht der richtige Ansatz. Wenn man heute ein Kind auf das Leben vorbereiten will, gehört digitale Medienkompetenz einfach dazu. Natürlich kann man sich dieser Entwicklung verweigern. Nur funktioniert das in unserer heutigen Gesellschaft nicht mehr besonders gut, wenn man wirklich an ihr teilhaben möchte.

Mittlerweile gibt es spezielle Apps für Babys und Kleinkinder. Was halten Sie von den kritischen Stimmen, die behaupten, die Online-Nutzung schade einer gesunden Entwicklung unserer Kinder?

Wissen Sie, vor 40 Jahren gab es auch Stimmen, die behaupteten, das Fernsehen verblöde unsere Kinder und Jugendlichen. Im Rückblick erscheint diese Befürchtung zeimlich überholt. Schlussendlich geht es immer ums Gleiche: Wie gehe ich mit dem Wandel um?

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Leserkommentare

Verena Thalmann - Zur Frage bezüglich Apps für Babys und Kleinkinder und den kritischen Stimmen, die einen Schaden für die gesunde Entwicklung des Kindes befürchten:
Ich bedaure es sehr, dass Herr Andi Hess sich nicht konkret zu dieser wichtigen Frage geäussert hat. Es
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Vor 9 Jahren 2 Monaten  · 
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