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Interview

Gibt in Sachen Negativzinsen für Sparer Entwarnung: Alexander Rathke. Bild: SB

«Negativzinsen sind ein Ausnahmephänomen»

Von: Sacha Beuth

23. August 2016

Erst versprachen die Banken, die Negativzinsen nicht auf die Sparer abzuwälzen. Nun bereiten offenbar mehrere Finanzinstitute genau diesen Schritt vor. Was diese Entwicklung für den Normalbürger bedeutet, weiss Alexander Rathke (38) von der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH.

Alexander Rathke, Postfinance, Migros-Bank und andere Finanzinstitute schliessen nicht mehr aus, Sparkonten künftig mit Negativzinsen zu belasten. Wie wahrscheinlich ist dieser Schritt?

Nicht sehr wahrscheinlich, zumindest nicht im Augenblick. Zwar wird seitens der Banken immer wieder damit gedroht und für institutionelle Kunden ist es teils bereits Realität. Aber solange der Wettbewerb spielt, wird keine Bank vorpreschen und tatsächlich Negativzinsen von Privatkunden verlangen. Das Risiko, dass die Kunden dann sofort zur Konkurrenz wechseln, ist zu gross. Ganz ausschliessen kann man es aber nicht, vor allem dann nicht, wenn die Schweizerische Nationalbank die Negativzinsen für die Banken weiter erhöhen sollte. Danach sieht es aber nicht aus.

Wenn es nun aber doch dazu kommt, was hätte dies für Auswirkungen?

Es hätte ähnliche Auswirkung wie eine allgemeine Zinssenkung. Die Profitabilität der Banken würde etwas steigen, während die Sparer verlieren. Die Frage ist, ob die Schuldzinsen dann auch weiter sinken. Für Privatpersonen wird die 0-Grenze für Schuldzinsen wohl bestehen bleiben. Im Gegenzug dazu können Bund, Gemeinden oder Kantone als Topschuldner schon jetzt durch Schulden machen Gewinn erzielen. Etwa indem sie wie kürzlich die Stadt Zürich Überbrückungskredite zu Negativzinsen aufnehmen und nach ein paar Monaten zurückzahlen.

Können die Banken Negativzinsen nur auf Sparkonten verlangen, oder ist dies auch bei anderen Konten, namentlich die Salär- bzw. Geschäftskonten, möglich?

Ja das ist möglich, da die Banken in der Gestaltung ihres Gebührensystems grundsätzlich frei sind.

Warum hält die Schweizerische Nationalbank SNB an ihren Negativzinsen fest und führt nicht wieder einen Euromindestkurs ein?

Zugleich den Mindestkurs wieder einzuführen und die Zinsen anzuheben, macht in der gegenwärtigen Situation keinen Sinn. Zumal weltweit weiterhin ein extrem tiefes Zinsniveau herrscht. Der Euromindestkurs wurde seinerzeit aufgegeben, weil er nicht mehr als nachhaltig angesehen wurde. Zwar schwächt die SNB den Franken weiterhin durch Devisenkäufe, aber nun in der Nähe eines wesentlich geringeren Wertes von 1,10 Franken und nicht 1,20 Franken. Diese finanziert Sie durch neu geschaffene Franken. Ein Mindestkurs beinhaltet die Gefahr für die SNB die Kontrolle über das Geldmengenwachstum zu verlieren. Es bestünde die Gefahr, dass sie im Falle einer Inflation nicht mehr rechtzeitig auf die Bremse treten könnte. Genau dies möchte die SNB vermeiden.

Welche anderen Möglichkeiten hätte die SNB?

Sie könnte die Freibeträge anheben, welche die Banken bei der SNB haben. Das würde zumindest den Druck vermindern, dass die Banken die Negativzinsen auf ihre sparende Kundschaft weitergeben. Allerdings bestünde dann auch das Risiko, dass dadurch der Franken wieder etwas steigt. Ansonsten ist nicht viel zu machen.

Wie bzw. wo soll man als Sparer sein Geld heutzutage anlegen?

Ich bin kein Finanzberater und werde mich hüten, entsprechende Tipps abzugeben. Viele drängen gerade auf den Immobilienmarkt. Aber wo viele ihr Geld anlegen, besteht auch die Gefahr, dass es zu Übertreibungen kommt. Egal, wo man investiert: Mehr Rendite gibts nicht ohne mehr Risiko.

Ist es nicht am besten, sich einen Tresor anzuschaffen und das Geld zu Hause aufzubewahren, bis die Zinsen wieder steigen?

Es besteht wie gesagt gegenwärtig kein Grund für solche panikartigen Aktionen. Zumal man sich bewusst sein muss, dass die Anschaffung eines Tresors und die Lagerung von Bargeld ebenfalls Geld kostet. Vergessen wir auch nicht, dass die Inflation im letzten Jahr mit -1,1 Prozent sehr tief lag und man – real gesehen – selbst bei 0 Prozent Zinsen immer noch eine Rendite erwirtschaftet hat. Ganz allgemein stehen die Zeichen auf Besserung. Die Europäische Zentralbank hat angekündigt, die Zinsen nicht weiter zu senken. In den USA hat der Zinsanstieg begonnen, wenn er auch noch etwas harzig verläuft. Meine Einschätzung lautet darum: Negativzinsen sind ein Ausnahmephänomen, das wieder verschwindet.

Zur Person

Alexander Rathke, geboren am 5. 5. 1978 in Füssen (D), studierte Volkswirtschaft an der Universität München und promovierte danach an der Universität Zürich. Seit 2014 ist er Bereichsexperte für Geldpolitik an der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich. 

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