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Interview

Das Haustier ist ein Freund fürs Leben. Entsprechend stark ist die Trauer des Tierhalters, wenn der geliebte Vierbeiner stirbt. Bild: PD

Trauer um Haustiere ist keine Bagatelle

Von: Isabella Seemann

22. Januar 2019

Wenn das Haustier stirbt, stirbt nicht einfach nur ein Tier – sondern ein Freund und Familienmitglied. Tierärztin Marion Schmitt forscht über die Trauer um tierische Partner und betritt damit wissenschaftliches Neuland.

Sie erhalten seit einem öffentlichen Aufruf Hunderte Zuschriften, in denen Tierhalter ihre Erfahrungen nach dem Tod ihres Haustiers wiedergeben. Gibt es Erkenntnisse, die Sie überraschten?

Marion Schmitt: Die Intensität der Trauer um Haustiere konnte ich anfangs nicht verstehen. Bis ich erkannte, dass die Geschichte dahinter, die Beziehung, entscheidend ist. Es geht darum, was für den Menschen gestorben ist – dieser wichtige Teil des Alltags, der plötzlich fehlt. Die Mechanismen der Trauer sind dieselben wie nach dem Tod eines Menschen.

Ist die Trauer um ein Haustier und um einen Menschen tatsächlich vergleichbar?

Trauer ist eine sehr komplexe Emotion, wird von jedem unterschiedlich erlebt und ausgedrückt, ihr Verlauf ist bei jedem anders und unterschiedlich lang. «Symptome» können psychisch oder körperlich sein – häufig waren Weinen, tiefe Traurigkeit, Schuldgefühle oder Herzschmerz. Trauer wird von zahlreichen Faktoren beeinflusst, wie der Beziehung zum Verstorbenen oder den Todesumständen. Tiere sind keine Menschen, aber sie übernehmen bestimmte Rollen und Aufgaben, die prinzipiell auch einem nahen Mitmenschen zukommen könnten. Die Trauer um diesen Sozialpartner kann grundsätzlich dieselben Auswirkungen haben.

Hatten Sie es auch mit ungewöhnlichen Trauerbekundungen zu tun?

Ich erhielt Fotos von Aufbahrungen oder liebevoll eingerichteten Gedenkschreinen im Wohnzimmer. Einige Halterinnen und Halter verschickten Todesanzeigen, hielten Grabreden, liessen sich Namen oder Konterfei ihres Haustiers tätowieren. Von Grabbeigaben wie Decken oder Spielzeug wurde häufig berichtet – die Eheringe waren schon eher ungewöhnlich.

Kann der Tod eines Haustiers auch traumatisierend wirken?

Trauer ist prinzipiell eine vollkommen normale Reaktion auf einen persönlichen Verlust. Die Bewältigung kann jedoch verkompliziert werden, beispielsweise, wenn sie vom Umfeld nicht anerkannt, bagatellisiert wird. Das kann zu Unterdrückung, lang anhaltender Trauer oder Blockade der Verarbeitung führen und schwere psychische und physische Folgen haben.

Ist die Trauer um einen tierischen Lebensgefährten eine Art Tabu?

Trauer um Haustiere wird vom Grossteil der Gesellschaft nicht als «vollwertige» Trauer anerkannt und sehr oft bagatellisiert. Vor allem Familie und Freunde, die das Tier ebenfalls kannten, zeigten Verständnis und konnten Trost und Halt geben. Durch die allgemeine Todesverdrängung herrscht aber insgesamt grosse Unsicherheit, wie man sich «normal» verhält nach einem Todesfall – das gilt nicht nur für die Trauer um Tiere, aber sicher in besonderem Mass.

Wie kann Ihre Forschung bei der Trauer oder beim Tod helfen?

Das Ziel meiner Arbeit ist es, Tierhalterinnen und -haltern zu zeigen, dass ihre Reaktionen vollkommen normal sind und sie sich nicht schämen müssen, sondern ihre Trauer zulassen dürfen und sollen. Ausserdem möchte ich für die Bedeutung von Haustieren im familiären Beziehungssystem sensibilisieren und das Verantwortungsbewusstsein gegenüber Trauernden allgemein schärfen. Durch Anregung zur Beschäftigung mit den Themen Alter, Sterben und Tod möchte ich die Angst davor nehmen.

Am Sonntag, 3. Februar, 10 Uhr, führt der Verein Aktion Kirche und Tiere (Akut) in der Kirche Offene City-Kirche St. Jakob beim Stauffacher einen Gottesdienst für trauernde Tierhalter durch. Tierärztin Marion Schmitt von der Tierärztlichen Hochschule Hannover ist Gesprächsgast.

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