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Interview

Kümmert sich mit ihrem Team um die Gesundheit der Zürcher Schülerinnen und Schüler: Susanne Stronski Huwiler, Leiterin des Schulärztlichen Dienstes. Bild: PD

«Übergewichtige Kinder sind unser grösstes Problem»

Von: Sacha Beuth

26. August 2014

Seit 1905 ist in der Stadt Zürich der Schulärztliche Dienst für die gesundheitlichen Belange der Schul- und Kindergartenkinder zuständig. Deren Leiterin, Susanne Stronski Huwiler (54), erzählt dem «Tagblatt», worum sich die medizinischen Fachkräfte zu kümmern haben und bei welchen Gesundheitsfragen Zürcher Schülerinnen und Schüler heutzutage der Schuh drückt.

Tagblatt der Stadt Zürich: Susanne Stronski Huwiler, was sind die Hauptaufgaben von Ihnen und Ihrem Team?

Susanne Stronski Huwiler: So banal es vielleicht klingen mag: herausfinden, ob die Kinder die gesundheitlichen ­Voraussetzungen für das Lernen haben. Wichtigstes Instrument dabei sind ­Hör- und Sehtests. Ohne gut entwickelte Sinne oder entsprechende Hilfsmassnahmen kann ein Kind den Schulstoff nur schlecht aufnehmen. Weiter kontrollieren wir, ob etwa Kindergarten­kinder bezüglich ihrer körperlichen ­Entwicklung auf dem richtigen Weg sind.

Und was ist mit den älteren Schülerinnen und Schülern?

In der Oberstufe liegt unser Fokus darauf, allfällige gesundheitliche Risiken zu erkennen. Zusätzlich zur schulärztlichen Untersuchung und dem Impf­angebot finden 1:1-Gespräche zwischen Schüler und Schularzt statt. Diese drehen sich um Wachstumsfragen, Schlaf, Ernährung, Drogen, Sexualität, Unfallverhütung, wobei wir versuchen, diejenigen Jugendlichen «herauszufischen», die beispielsweise Anzeichen von Depressionen zeigen, Drogen konsumieren, rauchen oder ungeschützten Sex praktizieren. Bei den Massnahmen, die wir dann ergreifen, ist es wichtig, dass die betroffenen Jugendlichen Wege aufgezeigt bekommen, wie sie selbst die Gesundheits­risiken minimieren können.

Welche Bereiche respektive Probleme bereiten Ihnen am meisten Sorgen und warum?

Übergewicht und Adipositas, auch Fettleibigkeit, genannt. Der Grund ist einerseits falsche Ernährung. Es werden zu viele kalorienreiche Lebensmittel gegessen. Auch ist die Anzahl und Verteilung der Mahlzeiten über den Tag oft ungünstig. Viele Schüler kommen ohne Frühstück zur Schule und stürzen sich dann im Lauf des Tages mit Heiss­hunger auf oftmals sehr kalorienreiche Nahrungsmittel. Fehlende Bewegung und fehlende Bewegungsmöglichkeiten – zu wenig Spielplätze – sind weitere Ursachen.

Und was unternimmt der Schulärztliche Dienst dagegen?

Im Rahmen unserer Möglichkeiten versuchen wir, mit Aufklärung und Prävention dagegen vorzugehen. Nicht zuletzt deshalb konnte der Trend zu Übergewicht in den letzten zwei, drei Jahren stabilisiert werden. Doch allein können wir das Problem nicht lösen. Auch die Gesellschaft, insbesondere die Eltern, sind da gefragt. Wir haben zudem festgestellt, dass ein Zusammenhang zwischen Bildungsstand und Übergewicht besteht. Schüler aus der Sek B weisen tendenziell eher Übergewicht auf als Schüler der Sek A. Und je tiefer der Bildungsstand der Eltern ist, desto häufiger sind deren Kinder übergewichtig.

Seit gefühlten Ewigkeiten gibt es an unseren Schulen auch immer wieder Fälle mit Kopfläusen. Wieso lässt sich dieses Problem nicht ein für alle Mal lösen?

Weil sich Kopfläuse nicht ausrotten lassen. Wo es Menschen gibt, da gibt es auch Läuse. Das Ganze hat auch nichts mit unhygienischen Verhältnissen zu tun, sondern zeigt lediglich an, dass Kinder Kontakt untereinander haben. Läuse krabbeln ja von einem Kopf zum anderen. Zum Glück sind die Kinder in der Stadt Zürich vergleichsweise wenig mit Läusen konfrontiert. Bei einem Befall schicken wir jedoch umgehend Fachpersonen in die betroffene Schule und informieren die Eltern von Schülern mit Läusen, wie man das Problem beseitigt. Was zugegebenermassen eine aufwendige Sache ist. Man muss die Haare täglich sehr sorgfältig auskämmen und mehrmals innerhalb einer Woche mit einem speziellen Shampoo waschen.

Und wie sieht es bezüglich Körperhaltung und Rückengesundheit aus?

Wir instruieren die Lehrkräfte, wie sie Fehlhaltungen der Schüler verhindern können. Auch sind die Schul­möbel so konstruiert, dass es nicht zu einer Fehlhaltung kommen sollte, wenn sie richtig eingestellt sind. Trotzdem haben wir relativ viele Kinder, die über Rückenschmerzen klagen. Das Problem ist, diese richtig einzuordnen. Oftmals liegt die Ursache für die Schmerzen nicht nur im Umfeld der Schule, sondern auch weil in der Freizeit der Rücken zu stark belastet wurde. Die Schmerzen klingen meist schnell wieder ab, und zum Glück nehmen die Rücken von Jugendlichen auch nicht so schnell Schaden.

Was ist mit den an Schulen durchgeführten Impfungen? Haben Sie nicht vermehrt mit Eltern zu kämpfen, die diese Massnahmen vehement ablehnen?

Nein. Die Zahl der Eltern, die nicht wollen, dass ihr Kind geimpft wird, liegt seit Jahren etwa bei 5 bis 10 Prozent. Allerdings machen diese oft lautstark auf sich aufmerksam. Tatsache ist jedoch, dass diese Personen die Nebenwirkungen einer Impfung überschätzen. Diese Nebenwirkungen sind deutlich weniger schlimm als die Krankheiten, die man ohne Impfung bekommen kann. Nur realisieren dies viele Leute nicht, denn sie kennen die Auswirkungen der Krankheiten gar nicht mehr, weil eben diese Krankheiten nur noch selten auftreten. Die Impfungen wurden quasi Opfer ihres eigenen Erfolgs.

Wie steht es generell um die Gesundheit der Zürcher Schülerinnen und Schüler?

Insgesamt gut. Das zeigt, dass wir mit unseren Massnahmen auf dem richtigen Weg sind.

Infobox

Der Schulärztliche Dienst der Stadt Zürich besteht aus 15 Ärztinnen und Ärzten und 18 weiteren Fachpersonen aus den Bereichen Gesundheit und Medizin. Diese betreuen im Schuljahr 2014/15 insgesamt rund 28 360 Kinder und Jugendliche (Kindergarten bis Sekundarschule). Weitere Infos: www.stadt-zuerich.ch/ssd → Gesundheit & Prävention.

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