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Interview

One-Man-Show: Beat Schlatter spielt einen Pornosüchtigen. Bild: Esther Michel

"Wir dachten, wir seien die heissesten Hengste"

Von: Jan Strobel

27. Januar 2015

Der Broadway-Hit «The Accidental Pervert - Pornosüchtig» feiert nächste Woche Schweizer Premiere. In der One-Man-Show erzählt Beat Schlatter den komischen und zugleich dramatischen Werdegang eines Teenagers, der in die Pornosucht abgleitet.

Beat Schlatter, in «Pornosüchtig» erzählen Sie die Lebensgeschichte eines Jugendlichen, der durch einen Zufall die Pornovideosammlung seines Vaters entdeckt und bald anfängt, mehrere Stunden Pornografie pro Tag zu konsumieren. Er schlittert in die Pornosucht ab. Was hat Sie an dieser Rolle gereizt?

Beat Schlatter: Es ist einer der ersten Sätze im Stück, der für mich die Faszination dieses Themas schön aufzeigt: «Niemand von uns kommt als Perverser zur Welt, das Leben macht uns dazu.» Pornosucht ist ein absolutes Tabuthema, das besonders bei Jugendlichen immer drängender wird. Und es ist natürlich immer sehr reizvoll, so eine Geschichte ins Theater zu bringen, es aus der Schamecke herauszuholen und es zugleich witzig an den Mann und die Frau zu bringen. Regisseur Pascal Ulli ist das hervorragend gelungen. Ich kenne hierzulande bisher niemanden, der auf eine witzige Art und Weise an das Thema Porno und seine Abgründe herangegangen ist.

Am New Yorker Broadway scheint das Thema längst kein Tabu mehr zu sein. Dort läuft das Original «The Accidental Pervert» seit Jahren vor ausverkauftem Haus.

Am Broadway ist das Stück wirklich ein Hit. Dort sind aber auch die Witze manchmal ziemlich unter der Gürtellinie. Darauf wollten wir in unserer Schweizer Version bewusst verzichten. Wir zeigen auch keine Pornobilder. Das Thema würde sonst an Glaubwürdigkeit verlieren. Wir haben bewusst das Theater Stok als Bühne gewählt, es hat etwas Nischiges, fast schon Privates. Wir wollen aufzeigen, dass es hier um verborgene, dunkle Fantasien geht, die viele Männer, aber auch Frauen, nicht an die Oberfläche lassen wollen. Sie getrauen sich nicht, darüber zu reden.

Es gibt Frauen, die sich ganz offen darüber beklagen, dass sich ihre Männer lieber mit Pornos vergnügen. Warum ist die reale Frau plötzlich nicht mehr spannend?

Irgendwann ist es mit der Erotik halt einfach vorbei und ebenso natürlich die Zeit des heissen Sex. Was bleibt, ist das sexuelle Bedürfnis, das aber ungestillt ist. Da ist es natürlich einfach, sich schnell ein paar Pornos im Netz herunterzuladen. Das kann dann schnell zu einer Sucht werden, von der Mann sich nur schwer verabschieden kann. Es muss dann immer heisser und «geiler» werden - und die Beziehung wird immer unbefriedigender. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Stadt Zürich einen Beauftragten für Pornosüchtige einführt.

Der Held im Stück hofft, als Erwachsener durch seine Heirat und sein Vaterglück von seiner Pornosucht loszukommen. Gelingt ihm das?

Das werde ich Ihnen natürlich hier nicht verraten. Der Punkt ist: Porno ist eine Tatsache, die nun einmal stattfindet, da können auch noch so viele Kampagnen nicht daran rütteln.

Wissenschaftler sind sich ja keineswegs einig, ob Pornokonsum gerade bei Jugendlichen wirklich schädlich ist. Für die einen schädigen Pornos ganz klar die eigene Sexualität, für die anderen lässt sich das nicht belegen, und sie warnen davor, das Thema zu überschätzen. Gehen Jugendliche von heute nicht viel gelassener mit Pornos um, als es zum Beispiel Ihr Held im Stück tut?

Ich glaube, dass die heutigen Jugendlichen wirklich viel lockerer mit dem Thema Porno umgehen, weil es ganz einfach zu ihrem Alltag gehört. Sie können sich ihre Filmchen ja einfach auf dem Smartphone ohne Probleme überall schnell anschauen. Aber vielleicht fängt ja gerade da das Problem an. Die Jugend meines Bühnenhelden findet aber in einer ganz anderen Zeit statt. Er ist ja im selben Alter wie ich, also 53, und blickt zurück auf seine Teenagertage Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre, als er pornosüchtig wurde.

Wie kamen Sie eigentlich in Berührung mit Pornos?

Da muss ich 15 oder 16 gewesen sein. Ich und ein paar Kumpel schlichen uns Nachmittags ins Sexkino Roland. Da liefen Streifen wie «Spiel mir das Lied am Glied». Und als wir rauskamen, dachten wir für einen kurzen Moment, wir seien die heissesten Hengste der Stadt, bis uns die Wirklichkeit eines Besseren belehrte. Früher fandest Du in Zürich ja Sexkinos an den prominentesten Lagen. In der Halle des Hauptbahnhofs zum Beispiel gab es ein Nonstop-Sexkino. Dann kamen die VHS-Kassetten auf, die den ersten grossen Umbruch einläuteten. Plötzlich konnten wir Männer Pornos auch zu Hause konsumieren, das war ein Meilenstein. Sexkinos wurden da mehr und mehr zu Oasen für Liebhaber. Aber im Rückblick hatten ja auch die Videokassetten fast noch etwas Exklusives, Verruchtes. Man musste sie im Laden kaufen und die Hemmungen überwinden, sie in ein Cover mit Sylvester Stallone stecken, damit niemand den Porno darin entdeckt.

Wie sieht es eigentlich mit Ihrem eigenen Pornokonsum aus?

Sagen wir es so: Ich war immer auf der sicheren Seite unterwegs. Pornos sind kein bestimmendes Thema für mich.

Wenn Sie sich auf der Bühne mit Porno beschäftigen; denken Sie da nicht, dass Pornografie auch Kreativität auslösen kann?

Ich denke, «kreativ» ist hier vielleicht das falsche Wort. Aber ja, ich habe das wirklich einmal versucht, zusammen mit Schweizer Autoren. Wir wollten Porno-Szenen mit ihrer völlig trashigen und absurden Handlung ins Schweizerdeutsche synchronisieren. Das hat aber überhaupt nicht funktioniert. Es war schlicht nicht witzig genug. Und wenn der Zuschauer Geschlechtsteile sieht, ist er so oder so gleich weg in seiner eigenen Pornowelt.

Die Premiere von «The Accidental Pervert - Pornosüchtig» mit Beat Schlatter findet am 5. Februar im Theater Stok statt. Zu sehen ist das Stück bis zum 21. Februar. Alle Infos unter: www.theaccidentalpervert.ch

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