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Interview

Reist zur Buchpräsentation wieder in ihre Heimat: Susann Sitzler. Bild: Lars Nickel

«Wir haben wahnsinnig schöne Fluchwörter»

Von: Sacha Beuth

24. November 2015

«Total alles über die Schweiz» heisst das Buch, das Susann Sitzler (45) am Sonntag bei Orell Füssli am Bellevue vorstellt. Die in Berlin wohnhafte Ex-Schwamendingerin erklärt darin anhand teilweise kurioser Zahlen und Grafiken unser Land – mit Fakten, die auch Einheimische überraschen dürften.

Susann Sitzler, sind Sie ein Statistikfreak, oder wie kamen Sie auf die Idee, unser Land anhand von Zahlen vorzustellen?

Mit Zahlen habe ich es eigentlich überhaupt nicht. Die Idee kam vom Folio-Verlag, der bereits Bücher in gleicher Form über Bayern und Südtirol herausgebracht hat und mich fragte, ob ich die Reihe nicht mit einem Beitrag über die Schweiz erweitern wollte. Ich sagte zu, da ich es interessant fand, meine Heimat einmal unter diesen eher nüchternen statt emotionalen Gesichtspunkten zu betrachten.

Nun ist zwar in Ihrem Buch sehr viel, aber nicht wirklich alles über die Schweiz festgehalten. Nach welchen Kriterien haben Sie Ihre Fakten ausgewählt?

Ich habe mir mit dem Verlag zusammen überlegt, welche Themen wichtig sind. Danach stellte ich eine grobe Sammlung zusammen, wobei die Hauptquelle das Bundesamt für ­Statistik war. Bei der Endwahl war es uns wichtig, dass die Mischung stimmt. Die Angaben sollten nicht nur als nackte Zahlen daherkommen, sondern unterhaltsam und sowohl für Schweiz-Kenner wie für Laien informativ sein.

Welcher Umstand hat Sie selbst am meisten erstaunt?

Wie vielfältig unser Land trotz seiner geringen Grösse ist. Das fängt bei grossen Dingen wie den Steuern an und hört bei kleinen auf. Zum Beispiel, dass es in Zürich von allen grossen Schweizer Städten am meisten regnet. Und dass viele Ausländer glauben, Zürich sei die Hauptstadt der Schweiz.

Laut Ihren Daten essen Herr und Frau Schweizer insgesamt 2,7 Tonnen Schoggi pro Tag, bürgern in der gleichen Zeit aber nur 92 Personen ein. Entspricht die Schweiz also weitgehend den Klischees?

In mancherlei Hinsicht auf jeden Fall. Wobei wir hier teilweise Fakten miteinander in Verbindung bringen, die im Alltag gar keine Verbindung haben. So entsteht auch die Komik. Andererseits zeigen sie auch Fakten, die so gar nicht dem Klischee der glücklichen, heilen Schweiz entsprechen. Etwa dass pro Tag schweizweit 12 Kilo Kokain konsumiert werden und drei Personen Suizid begehen. In diesen beiden Bereichen liegt die Schweiz etwas vor Deutschland.

In «Total alles über die Schweiz» ist auch ein Kapitel mit geläufigen Mundartausdrücken und Helvetismen enthalten. Warum?

Weil es ein wichtiges Erkennungsmerkmal der Schweizer ist. Gerade in Bezug auf die Deutschen. Die denken ja auch oft, die Schweizer sprechen so herzig, dann müssen sie auch herzig sein – was natürlich ein Irrtum ist. Sie sollten uns ernst nehmen, auch wenn es «süss» klingt.

Selbst Fluchwörter haben Sie nicht ausgelassen. Wäre es nicht besser für die Völkerverständigung gewesen, dies zu unterlassen?

Auf keinen Fall. In keiner Sprache kann man meiner Meinung nach so gut ­fluchen wie auf Schweizerdeutsch. Wir haben wahnsinnig schöne Fluchwörter, die oft auf den bäuerlichen Alltag zurückzuführen sind, etwa «Rääf», «Tüpfi», «Schese» oder «Pumpi». Hochdeutsche Schimpfwörter sind längst nicht so farbig und kräftig. Wenn ich auf Schweizerdeutsch fluche, dann wissen meine Bekannten in Berlin, dass ich jetzt wirklich hässig bin.

Auch die Schweizer Vor- und Nachnamen haben Sie unter die Lupe genommen. Was ist an diesen so besonders?

Das ist eine Frage, die immer nur die Schweizer stellen. Die Deutschen wissen sofort, warum, denn sie können viele unserer Nachnamen nicht richtig aussprechen. Sie klingen ­in deutschen Ohren oft lustig und bizarr. Etwa Liechti oder Hösli. Die Vornamen nahmen wir hinein, weil sie nationale Trends ­widerspiegeln. Im Moment sind bei uns romanischstämmige wie Laura, Luca oder Gian aktuell.

Wie sind bislang die Reaktionen von Schweizern und Ausländern, namentlich Deutschen, auf Ihr Werk?

Generell sehr positiv. Nur vereinzelt gab es Kritik von Schweizern, die fanden, man könne unser Land nicht auf Zahlen reduzieren, weil so emotionale Komponenten verloren gehen bzw. fehlen. Handkehrum wird gerade dadurch die Schweiz nicht wie in vielen Reiseführern idealisiert, sondern so gezeigt, wie sie ist.

Susann Sitzler stellt am Sonntag, 6. Dezember, um 13 Uhr bei Orell Füssli an der Theaterstrasse 8 ihr Buch «Total alles über die Schweiz» vor. Weitere Infos: www.books.ch und www.folioverlag.com

Auszüge aus "Total alles über die Schweiz":

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