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Interview

Startklar: Die Co-Präsidenten von «Weltklasse Zürich», Andreas Hediger (l.) und Christoph Joho. Bild: Nicolas Y. Aebi

«Wir wollen jedes Jahr etwas Neues wagen»

Von: Sacha Beuth

01. September 2015

Kaum ist die WM in Peking vorbei, steht morgen Donnerstag mit «Weltklasse Zürich» bereits der nächste Leichtathletik-Höhepunkt an. Das «Tagblatt» befragte dazu die beiden Co-Präsidenten Andreas Hediger (49)und Christoph Joho (49).

Andreas Hediger, Christoph Joho, morgen findet «Weltklasse Zürich» erstmals unter Ihrer Regie statt. Was ist das für ein Gefühl?

Christoph Joho: Ein sehr schönes. Wir freuen uns, dass es nach den vielen Vorbereitungen endlich losgeht, der Anlass ausverkauft ist und wir als Erste die frischgebackenen Weltmeister zusammen mit den Schweizer Athleten präsentieren dürfen.
Andreas Hediger:
Das Gefühl ist ja nicht völlig etwas Neues, da wir schon seit einigen Jahren im OK tätig sind. Ich hoffe, dass wir viele spannende Momente unter der Affiche Herausforderer gegen WM-Titelhalter mit Hühnerhautstimmung erleben werden.

Früher war der Direktorenposten ein Ein-Mann-Job. Nun teilen Sie sich die Funktion. Kommt man sich da nicht ins Gehege?

Joho: Kaum. Einerseits hat jeder seinen Zuständigkeitsbereich, in dem er allein allfällige Entscheidungen trifft. Andererseits wissen wir auch um die Stärken des anderen und vertrauen darauf. Die Rollenverteilung hat sich sehr rasch und sehr gut eingespielt. Strategische Entscheide fällen wir natürlich gemeinsam.
Hediger: Wir ergänzen uns grundsätzlich sehr gut. Natürlich gibt es zwischendurch auch einmal längere Diskussionen. Das ist normal. Abgesehen davon kann eine andere Meinung auch befruchtend sein.

Was ist die markanteste Änderung im Vergleich zu Ihrem Vorgänger Patrick Magyar?

Joho: Wir werden einige Punkte teilweise anders gewichten, aber deswegen das Pferd nicht total anders aufzäumen. Die Marke «Weltklasse Zürich» ist schliesslich international top. Wichtig ist eine konstante Evolution. Wir wollen jedes Jahr etwas Neues wagen. Bei der aktuellen Austragung wird dies etwa eine spezielle Inszenierung unserer Aushängeschilder vor und nach deren Wettkampf, die Wiedereinführung von Stehplätzen in der Südkurve sowie die erstmalige Austragung des Stabhochsprungs der Männer im Hauptbahnhof sein.

Dort wurde in den letzten Jahren das Kugelstossen der Männer durchgeführt. Wird diese Verlegung von den entsprechenden Athleten nicht als Verbannung empfunden?

Hediger: Überhaupt nicht. So haben viele Kugelstosser betont, dass der Wettkampf im HB nach Olympia der beste Anlass sei. Sie bedauern, dass sie wieder zurück ins Stadion «müssen», während sich die Stabhochspringer sehr auf die spezielle Atmosphäre im HB freuen. Die Zuschauer sind dort enorm nah an den Athleten dran, der Fokus gilt ganz einer einzigen Disziplin. Das ist im Stadion anders, dort finden parallel mehrere Wettkämpfe statt. Diese Ausgangslage erlaubt auch eine ganz andere Inszenierung des Wettkampfs. Wir sind überzeugt, dass solche Wettkämpfe ausserhalb des Stadions in der Leichtathletik weiter an Bedeutung gewinnen. Deshalb wollen wir da auch eine Vorreiterrolle einnehmen.

Das Rahmenprogramm, insbesondere die Musik, scheint immer mehr an Bedeutung zu gewinnen. Heuer etwa ist Bastian Baker an der Reihe. Kann «Weltklasse Zürich» mit Leichtathletik allein nicht mehr begeistern?

Joho: Im Gegenteil. Die Leichtathletik ist der Kern der Veranstaltung. Es würde nicht funktionieren, wenn wir die Show oder die Musik ins Zentrum stellen würden. Aber Lichtshows, Schlussfeuerwerk oder eben Musiker sind eine gute Ergänzung, die das sportliche Programm abrunden.

«Weltklasse Zürich» wird wieder einmal kurz nach einem Grossanlass, dieses Mal der Leichtathletik-WM in Peking, ausgetragen. Ein Vor- oder ein Nachteil?

Hediger: Ich sehe es eher als Vorteil. Erstens weil sich die Gelegenheit für die geschlagenen Athleten bietet, gleich nach der WM Revanche zu nehmen. Und zweitens weil sich die Athleten gerade wegen der WM in Topform befinden. Klar, je nachdem, wann ein Athlet seinen WM-Wettkampf ausgetragen hat, kann die Regenerationszeit etwas kurz ausfallen. Für die meisten ist das aber kein Problem.

100-m-Weltrekordhalter Usain Bolt hat aber gerade wegen des strengen WM-Programms für Zürich abgesagt. Wie schwer wiegt die Absenz des mehrfachen Weltmeisters und Olympiasiegers aus Jamaika?

Hediger: Schon während der Verhandlungen mit seinem Management wussten wir, dass er wahrscheinlich nicht nach Zürich kommt, wenn er an der WM bei drei Disziplinen an den Start geht. Nun ist es so gekommen, das müssen wir akzeptieren.
Joho: Wir wollten ihn natürlich dabeihaben, aber «Weltklasse Zürich» ist nicht von einem einzelnen Athleten abhängig, sondern lebt von der Vielfalt der Topathleten. Zudem profitieren wir von den aufstrebenden Schweizer Athleten. In unserer Plakatkampagne haben wir heuer mit Mujinga Kambundji und Kariem Hussein geworben. Das Interesse an Tickets war genauso hoch wie in vergangenen Jahren. Das Stadion ist einmal mehr ausverkauft.

Die Schweizer Leichtathletik hat nach Jahren des Darbens zuletzt einen grossen Schritt nach vorne gemacht. Was sind die Gründe für diese positive Entwicklung?

Hediger: Dafür gibt es mehrere Gründe. Einen grossen Schub hat ohne Zweifel die EM im eigenen Land ausgelöst. Sie hat Energie auf allen Ebenen freigesetzt. Vereine, Trainer und natürlich die Athleten waren bereit, überall noch eine Schippe draufzulegen, mehr zu trainieren, für den Sport in Ausbildung oder Beruf zurückzustecken. Zudem fangen sich die Anstrengungen, die man in den letzten Jahren bei der Jugendförderung unternommen hat, langsam an auszuzahlen. Und zu guter Letzt hat manchmal auch der Zufall mitgespielt.

Welche Schweizer Athleten werden im Letzigrund für Furore ­sorgen?

Joho: Ich rechne mit Hürdenläufer Kariem Hussein, Stabhochspringerin Nicole Büchler, Sprinterin Mujinga Kambundji und 800-m-Läuferin Selina Büchel.
Hediger: Ich würde noch Noemi Zbären dazuzählen, die U-23-Europameisterin über 100 m Hürden.

Erinnern Sie sich eigentlich noch daran, als Sie das erste Mal mit «Weltklasse Zürich» in Kontakt kamen?

Hediger: Das muss irgendwann Mitte der 80er gewesen sein. Ich weiss noch, dass ich mir die Eintrittskarten vom hart verdienten Taschengeld kaufte. Noch gut in Erinnerung ist mir der Weltrekord von 400-m-Läufer Butch Reynolds 1988.
Joho: Das war 1978. Markus Ryffel hat die 5000 m damals hinter Henry Rono mit einem Schweizer Rekord beendet. Ich war damals 12-jährig und weiss auch, dass ich sogar die Schule schwänzte, um bei der Stadionöffnung gleich in der ersten Reihe zu stehen.

Wir wollen den Teufel zwar nicht an die Wand malen, trotzdem die Frage: Schlechtes Wetter, Dopingskandal oder kurzfristige, verletzungsbedingte Absagen von mehreren Topstars – was würde Ihnen am meisten Kummer bereiten?

Joho: Einzelne Ausfälle von Athleten gehören bei über 200 engagierten Athleten dazu. Das unglücklichste Szenario ist ganz schlechtes Wetter. 1994 zum Beispiel ging zwischenzeitlich gar nichts mehr.

Und wie sollte das Meeting im ­Optimalfall ablaufen?

Hediger: Dass alles funktioniert, wie wir es uns vorgenommen haben, und dass die Zuschauer auf dem Nachhauseweg sagen: Wow, das war super.
Joho: Dass die Leute so begeistert sind, dass sie 2016 wiederkommen wollen.

«Weltklasse Zürich»: Höhepunkte und Hintergrundinfos

Bereits heute Mittwoch, 2. 9., findet ab 17 Uhr der Stabhochsprung der Männer im Hauptbahnhof statt. Morgen Donnerstag, 3. 9., wird das Letzigrundstadion um 17 h für das Publikum geöffnet. Der ausverkaufte Event startet mit dem Diskuswerfen der Männer (17.55 h). Weitere Finals der IAAF Diamond League und somit Höhepunkte von «Weltklasse Zürich» sind bei den Frauen Kugelstossen (18.10 h), Weitsprung (18.20 h), Stabhochsprung (19.35 h), Speerwurf (20 h), 400 m Hürden (20.05 h), 100 m (20.29 h), 800 m (21.03 h) und 3000 m (21.19 h) sowie bei den Männern Hochsprung (20.10 h), 3000 m Steeple (20.13 h), Weitsprung (20.20 h), 400 m (20.46 h), 200 m (20.56 h), 110 m Hürden (21.13 h) und 1500 m (21.43 h). Daneben dürften aus Schweizer Sicht auch das 400-m-Hürdenrennen (21.36 h) mit Kariem Hussein und die 4×100 m der Frauen um 21.55 h von grossem Interesse sein. SRF 2 ist ab 20 Uhr live dabei. «Weltklasse Zürich» ist seit 2003 das bestbesetzte Leichtathletik-Meeting der Welt, bei dem bislang 25 Weltrekorde erzielt wurden und das rund um den Globus von etwa 15 bis 20 Millionen TV-Zuschauern verfolgt wird. Weitere Infos unter: www.weltklassezuerich.ch

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