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Lifestyle

Rita Angelone (46) hat zwei Kinder (8½ und 6½) und schreibt jede Woche über den ganz normalen Wahnsinn ihres Familienalltags.

Alles Wurst?

Von: Rita Angelone

23. September 2014

Das Wurst-Probiererli für die Kleinen an der Metzgertheke ist ein Klassiker, der sowohl für uns Eltern als auch für unsere Buben zu den schönen Kindheitserinnerungen gehört. Doch an einigen Orten gibt es unterdessen schon ein Gratisrädliverbot und, wer weiss, vielleicht wird dieser uralte Brauch schon bald ganz abgeschafft.

Dabei gibt es nichts Schöneres als Kindheitserinnerungen. Vor allem, wenn sie einen als Erwachsenen unverhofft und scheinbar wie aus dem Nichts, doch meist ausgelöst durch einen lieblichen Duft, durch einen feinen Geschmack, durch eine fröhliche Farbe oder durch eine eingängige Melodie wie ein frischer und unverbrauchter Lebenshauch berühren und einen für die Länge eines Wimpernschlags in die guten alten Kinderzeiten zurück versetzen.

Da sind zum Beispiel die Erinnerungen an dunkelrote, schwere Kirschohr­ringe, die Kinder sich im Sommer um die Ohren hängen. Oder Ahornnasen aus der Flügelfrucht des Ahornbaums, die sie sich ulkig-schielend an die Nase klemmen. Oder die Erinnerung an das Sammeln von würzig duftenden Tannzapfen im Wald, um sich später damit unbeschwert und fröhlich gegenseitig zu bewerfen. Oder an den Griff in die Hosen­tasche, um die darin aufgehobenen glänzend-glatten Rosskastanien in der Hand zu kneten, die man später zu Hause mit Zündhölzli zu Waldmännchen und Stacheligel verwandeln wird. Oder die süsse Erinnerung an das eiskalte Raketenglace, an welches sich die Zunge so schmerzlich festfriert oder an die aufkommende Melancholie beim Anblick des in den Himmel steigenden Luft­ballons, den man für einen kurzen Augenblick nicht fest genug in seiner Hand gehalten hat.

Zum Glück gibt es noch so viele bezaubernde Kindheitserinnerungen, die man Kindern nicht nehmen kann. Denn schon Dostojewski sagte: «Es gibt nichts, das höher, stärker, gesünder und nützlicher für das Leben wäre als eine gute Erinnerung aus der Kindheit, aus dem Elternhause.» Da kann uns das vielleicht bald aussterbende Wursträdli zum Glück auch wirklich wurst sein.

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Leserkommentare

Urs Rösli - Liebe Rita, diese Kolumne hat mir sehr gut gefallen. Erinnerungen sind aufgetaucht. Ja, und das Wursträdchen oder ein Stück Aufschnitt beim Metzger.... Das waren noch Zeiten und ich freue mich, wenn Kinder weiterhin diese Erlebniss haben können. Gibt's eigentlich
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Vor 9 Jahren 6 Monaten  · 
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