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Die Angst vor der Angst beherrscht das Leben von Stephanie Leu.

Der Kampf gegen die lähmende Angst

Von: Ginger Hebel

26. Juni 2018

Stephanie Leu leidet unter Hypochondrie. Sie hat Angst davor, schwer zu erkranken, und immer wieder Panikattacken.

Sie spürt, wie es ihr die Luft abschnürt. Ihr Körper zittert, das Herz rast, sie befürchtet, ohnmächtig zu werden und die Kontrolle über sich selbst zu verlieren. Wenn Stephanie Leu aus heiterem Himmel eine Panikattacke überfällt, hat sie Todesangst. In Momenten der Panik scheint das Leben um sie herum stillzustehen.

Ob sie im Zug sitzt, im Bett liegt oder sich mitten im Getümmel befindet, die Angst trifft sie so unvermittelt wie ein Blitzschlag. Stephanie Leu versucht dann, sich selbst zu helfen. Sie verwickelt fremde Leute in ein Gespräch, um ihre Gedanken in andere Bahnen zu lenken. Sie ruft ihre Mutter an oder ihren Mann, bis die Panik verfliegt und sie wieder ruhig atmen kann.

Seit früher Kindheit leidet sie an Hypochondrie. «Ich bilde mir täglich neue Krankheiten ein», gesteht die heute 36-Jährige. Als kleines Mädchen hatte sie Angst vor jedem blauen Fleck, den sie auf ihrem Körper entdeckte. Heute beherrscht die Angst, an Krebs zu erkranken, ihr Leben. Auch ihr Vater und ihr Grossvater sind Hypochonder. «Wenn sie eine Arztserie schauen, sind sie danach überzeugt, selber krank zu sein», erzählt Stephanie Leu.

Als Psycho abgestempelt

Die Mutter eines kleinen Jungen hat eine Ärzte-Odyssee hinter sich. Sie liess sich von Kopf bis Fuss durchleuchten, doch lange konnte ihr kein Arzt helfen. Denn Stephanie Leu ist körperlich gesund, sie leidet unter einer psychischen Störung. «Man sieht uns Angstpatienten die Krankheit nicht an, denn niemand kann wissen, was im Kopf vorgeht. Wir werden oft nicht ernst genommen und als Psycho abgestempelt.»

Man unterscheidet zwischen verschiedenen Formen von Angststörungen. Phobien – die Angst vor spezifischen Situationen oder Objekten wie Dunkelheit oder Spinnen; Sozialphobie – die Angst vor gesellschaftlichen Kontakten und Ablehnung; Zwangsstörungen – wie den Drang, sich immer die Hände zu waschen; Generalisierte Angststörung – übertriebene und andauernde Befürchtungen, welche die Betroffenen nicht kontrollieren können.

Angst, die Volkskrankheit

Die Angst begleitet Stephanie Leu wie ein Schatten. Manchmal jedoch, da scheint sie so fern wie ein Segelschiff, das am Horizont sichtbar ist. «Ablenkung hilft mir», sagt Stephanie Leu. Sie arbeitet als Betriebsleiterin und als Korporal bei der Feuerwehr und engagiert sich für die Angst- und Panikhilfe Schweiz. «Angst ist eine Volkskrankheit. Viele schweigen darüber, doch wer nicht darüber spricht, zieht sich immer mehr zurück, bis er depressiv wird.»

Sie erzählt von einer jungen Frau, die so starke Lebensängste hat, dass sie ihre Wohnung kaum noch verlassen kann.  Stephanie Leu hat gelernt, mit ihrer Angst zu leben. Sie macht eine kognitive Verhaltenstherapie, eine der verbreitetesten Formen der Psychotherapie. Es geht darum, sich über seine Gedanken, Einstellungen und Erwartungen klar zu werden und nicht zutreffende sowie belastende Überzeugungen aufzudecken und zu verändern. Stephanie Leu: «Ich wünsche mir, dass die Angst in meinem Kopf verschwindet und nie mehr zurückkommt.»

Angst- und Panikhilfe Schweiz
Hotline: 0848 801 109
www.aphs.ch

 

Gut zu wissen:

Hypochonder bilden sich verschiedene Krankheiten ein, obwohl es keinen medizinischen Hinweis darauf gibt. Hypochondrie ist eine psychische Erkrankung, die oft erst spät behandelt wird, denn die Betroffenen glauben nicht, dass ihre Beschwerden eine psychische Ursache haben könnten.


Jeder Zehnte hat eine Angststörung

Dr. med. Joe Hättenschwiler ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Chefarzt des Zentrums für Angst- und Depressionsbehandlung an der Riesbachstrasse 61 in Zürich.

Platzangst, Terrorangst, Bindungsangst, Versagensangst. Wann sind Ängste krankhaft?

Joe Hättenschwiler: Wenn sie Leiden verursachen, also unangemessen, zu stark, zu lang anhaltend und unkontrollierbar sind, und wenn sie zu einem Vermeidungsverhalten führen. Diese Art von Angst beeinträchtigt das Leben von Betroffenen und ihren Angehörigen stark.

Gibt es auch gute Angst?

Ja. Angst ist wichtig im Leben, da sie uns vor Gefahren und Bedrohungen schützt. Sie gibt uns die Kraft, Energie und Ausdauer, um zu entkommen oder Anforderungen zu bewältigen. Manche Ängste sind leistungssteigernd. Sie fördern Offenheit und Nachdenklichkeit und können damit die Problemlösung erleichtern. Es wäre auch krankhaft, wenn man gar keine Angst erlebt.

Wie viele Menschen leiden in der Schweiz unter Angststörungen?

Rund jeder zehnte. Spezifische Phobien wie Spinnenphobie, Flugangst oder Klaustrophobie sind am weitesten verbreitet. Das sind Störungen, bei denen die Angst durch eigentlich ungefährliche Situationen oder Objekte hervorgerufen wird. Angststörungen, aber auch Depressionen, sind die häufigsten psychischen Erkrankungen.

Wie lassen sich Ängste behandeln?

Es gibt psychotherapeutische, medikamentöse oder kombinierte Behandlungen. Es ist wichtig zu erkennen, was Angst im Körper auslöst. Letztendlich muss der Betroffene eine neue Einstellung zur Angst bekommen. Diese wird es ihm ermöglichen, sie zu reduzieren. Er gewinnt Selbstvertrauen und kann angstbesetzte Situationen aushalten. Aber nicht jede Angst muss behandelt werden. Manchmal hilft ein Gespräch mit einer vertrauten Person. Auch körperliche Aktivitäten oder eine Ernährungsumstellung können zur Beruhigung beitragen. 

Weitere Informationen:

www.zadz.ch

www.sgad.ch

 

 

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