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Porträt

Ralph Signer: "In meinem Beruf muss man manchmal provozieren." Bild: Nandor Nagy

Das Gesicht hinter Zürichs Grossprojekt

Von: Ginger Hebel

05. Mai 2015

Tramverbindung Hardbrücke: Bauingenieur Ralph Signer ist mitverantwortlich für das grösste Projekt, das derzeit in Zürich ansteht. Der Spatenstich erfolgt am 28. Mai. Ausgleich findet der Familienvater im Sport, er ist Kunstturntrainer.

Ralph Signer wirkt gelassen. Doch in ihm drin mag es anders aussehen, denn auf ihm lastet eine grosse Verantwortung. Der 41-Jährige ist VBZ-Projektleiter der Tramverbindung Hardbrücke und mitverantwortlich für das grösste Projekt, das derzeit in Zürich ansteht. Kostenpunkt: geschätzte 102 Millionen Franken. Bereitet ihm so viel Verantwortung Kopfzerbrechen? «Nein, das Projekt belastet mich nicht, ich freue mich darauf, aber ich frage mich schon: Habe ich auch wirklich an alles gedacht, mein ganzes Wissen und meine Erfahrung eingebracht?». Nach dem Tram Zürich-West ist die Tramverbindung Hardbrücke die nächste Etappe in der Netzentwicklungsstrategie der VBZ, ein Meilenstein für die Mobilität. «Die Kapazitäten in den Bussen auf der Hardbrücke sind am Anschlag, mit der neuen Tramverbindung wollen wir Entlastung schaffen», sagt Signer.

Der Bahnhof Hardbrücke ist einer der wichtigsten Umsteigeknoten im Pendlerverkehr. Langfristig wird sich das Fahrgastaufkommen von heute 40 000 Personen pro Tag auf 80 000 bis 90 000 Personen erhöhen. Die Neubaustrecke über die Hardbrücke erlaubt die Verlängerung der Linie 8 nach Zürich-West, bindet den Bahnhof Hardbrücke ans Tramnetz an und schafft eine direkte Verbindung zwischen Hardhof, Stauffacher, Bellevue und Kreuzplatz; solch eine Verbindung existiert bis jetzt nicht.

 

Doch ein Tram über eine Brücke zu führen, bedeutet eine grosse Herausforderung. Für einen Trolleybus benötigt es eine Fahrleitung, für ein Tram jedoch Schienen. Da stellt sich die Frage: Wie bringt man diese Schienen befestigt auf die Brücke? Was passiert mit dem übrig gebliebenen Strom, der Korrosion verursacht und die Brücke beschädigen könnte? Und hat es während der Bauarbeiten genügend Platz für die Menschenmassen im Pendlerverkehr? Alles Fragen, auf die Ralph Signer Antworten haben muss. «In meinem Beruf muss man manchmal provozieren, um Lösungen zu finden, und man muss die Nase in den Wind halten.»

Der Spatenstich erfolgt am 28. Mai. Danach beginnen die Bauarbeiten mit Werkleitungen unter dem Boden und Brückenbauten im Bereich des Hardplatzes. «Für die Tramverbindung brauchen wir auf der Hardbrücke und rund um den Hardplatz mehr Platz.» In Zukunft werden Autofahrer nicht mehr über die Pfingstweidrampe auf die Brücke fahren können, sondern über die Geroldrampe, hier wird eine neue Brücke gebaut. Letzten Sommer ist Ralph Signer ins Projekt eingestiegen, eine Chance, die er gerne wahrgenommen hat. Als junger Bauingenieur hegte er den Wunsch, einmal im Leben eine Brücke zu bauen. Das hat er getan. Seinen zweiten Wunsch, ein Grossprojekt zu realisieren, erfüllt er sich jetzt. Die neue Tramverbindung wird vom Bund, vom Kanton und von der Stadt Zürich finanziert, rund 100 Personen sind ins Projekt involviert. Signer hält die Fäden in der Hand, er muss aber auch den Kopf hinhalten, wenn etwas nicht so laufen sollte wie geplant. Auf den Fahrplanwechsel im Dezember 2017 wird die neue Tramlinie ihren Betrieb aufnehmen. «Zwei beschwerliche Jahre liegen vor uns, es wird zu Verkehrsbehinderungen kommen, Lärm geben und Dreck, aber wir haben das Ziel vor Augen.»

«Gleisbau ist eine Paradedisziplin»

Nach der Lehre zum Tiefbauzeichner wollte Signer mehr Verantwortung tragen. Er bildete sich zum Bauingenieur weiter und nahm einen Job bei einem privaten Ingenieurbüro im Thurgau an, weil ihm dort die Möglichkeit geboten wurde, Projekte von der Offerte bis zur Realisierung zu betreuen, Quartiere und Dörfer zu erschliessen. Später verwirklichte er sich im Strassenbau, leitete eine Autobahnbaustelle. 2006 wurde er auf eine Ausschreibung der VBZ aufmerksam und bewarb sich – mit Erfolg. Einige Gleisbauprojekte hat er bereits realisiert. «Gleisbau ist eine Paradedisziplin», ist er überzeugt. Die beengten Verhältnisse in der Stadt und die wachsenden Pendlerströme würden die grösste Herausforderung darstellen.

Der öffentliche Verkehr in der Schweiz geniesst international einen grossartigen Ruf. Ralph Signer erfüllt es mit Stolz, seinen Teil dazu beitragen zu dürfen. Zürich entwickelt und verändert sich – auch dank ihm. Wie sieht er den öffentlichen Verkehr in 30 Jahren? Wird es noch Trams und Busse geben? «Der motorisierte Individualverkehr wird mit dem ÖV verschmelzen», prophezeit Signer. Er könnte sich vorstellen, dass es ein übergeordnetes System geben wird, in das man sich einklinken kann, das einen befördert, ohne dass man selber steuern muss, eine Kapsel vielleicht. Ein System, das einem die Möglichkeit gibt, sich nach Belieben auszuklinken und selbstständig weiterzufahren.

Von der Baustelle in die Männerriege

Ralph Signer – im Limmattal aufgewachsen – lebt mit seiner Frau und seinen Töchtern (2 und 5) in Fischbach-Göslikon. Die Grundstückpreise haben ihn aufs Land verschlagen. Hier, mitten im Grünen, hat sich die Familie ein Haus gebaut. Er kann die Tür öffnen und die Mädchen sorglos ins Freie rennen lassen, so hat er sich ein Leben für seine Kinder immer vorgestellt. Früher war er Kunstturner auf Spitzenniveau, heute trainiert er mit viel Freude den Nachwuchs. «Es ist etwas Schönes, wenn man kleinen Buben und Mädchen den Purzelbaum beibringen kann. Leider haben heutzutage viele Kinder starke Bewegungsdefizite, manche können nicht mal auf allen vieren gehen.» Mit dem Turnverein ist er gross geworden, er hat sein Gemeinschaftsgefühl gestärkt, denn im Verein ist man nie allein. Auch ist er aktives Mitglied in der Männerriege. Der Sport ist für ihn ein Ausgleich zu seinem kopflastigen Beruf.

Er nimmt den Stift zur Hand und zeichnet an seinen Skizzen, der Bauplan ist sein Kommunikationsmittel. «Wir Bauingenieure sind visuelle Menschen. Wir können mit ein paar Strichen mehr ausdrücken als mit einem zweiseitigen Bericht.» Ralph Signer hofft, dass er im öffentlichen Verkehr noch einiges bewirken kann. «Wir haben spannende Projekte in der Pipeline; das Tram Affoltern, das Rosengartentram.» Doch jetzt ist erst einmal das Tram über die Hardbrücke dran.

Ralph Signer ist eines der vier unsichtbaren Talente der neuen VBZ-Personalwerbekampagne, die derzeit in Zeitungen und auf Plakaten zu sehen ist.

 

 

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