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Porträt

Koni Löpfe: "Ich wollte die Tradition der Arbeiterzeitung fortführen." Bild: JS

Der etwas andere Medienpirat

Von: Jan Strobel

18. März 2014

Vor 15 Jahren lancierte Koni Löpfe, der ehemalige Präsident der Stadtzürcher SP, die linke Wochenzeitung «P.S.» Das Blatt ist in Zürich ein regelrechtes Medienwunder.

Aus dem Raum in der «P. S.»-Redaktion an der Langstrasse dringt gedämpft ein Strauss-Walzer auf den Korridor, und als sich die Türe öffnet, sitzt Koni Löpfe an seinem Schreibtisch, umgeben von Zeitungsstapeln, von Chaos und Musik. Klassische Musik ist seine Sucht, aber bei diesen Strauss-Walzern ist er sich nicht sicher. «Die klingen ja eigentlich immer gleich. Das kannst du dir auch nicht ewig anhören», sagt er und streicht sich sanft über seinen Bart. Löpfe sieht in diesem Moment ein wenig aus wie einer dieser russischen Revolutionäre aus dem 19. Jahrhundert, wie ein moderner Bakunin vielleicht, nur dass die Haare akkurat gescheitelt sind. 

Für unser Interview schlägt er die Allegra-Bar gleich gegenüber vor.  Hier trinkt er gern seinen Kaffee, wenn er nicht gerade politische Artikel schreibt, eine «Bar für ältere Herren», schmunzelt Löpfe. Der Vergleich mit dem Revolutionär passt natürlich nicht. Der 67-Jährige war nie einer, der wie ein kalter Bürgerschreck mit wehender roter Fahne voranstürmte, in der Ideologie sein Heil suchte und sich dabei aus den Augen verlor. Der linke Idealist blieb eben immer auch Individualist, ungebunden, ein Lustmensch. «Ich machte immer das, wozu ich Lust hatte», meinte Löpfe einmal in einem Interview. Das Statement erklärt auch, weshalb er, der Vollblutjournalist, vor 15 Jahren die kleine, linke Wochenzeitung «P.S.» lancierte. Zuvor hatte er bei der «DAZ», dem Zeitungsorgan der Sozialdemokraten, «unabhängig, sozial und ökologisch» den Politbetrieb unter die Lupe genommen. Mit dem Ende der «DAZ» 1997 zimmerte sich Löpfe nach zwei Jahren kurzerhand den eigenen Titel zusammen. Seiner Meinung nach brauchte Zürich eine linke, lokale Zeitung. «Ich wollte die Tradition der Arbeiterzeitung fortsetzen», sagt er.

Zu Beginn kam der neue Titel noch dreimal in der Woche heraus, später, als das «P.S.» nur durch eine Spendenaktion vor dem Untergang gerettet werden konnte, einmal wöchentlich. Inzwischen hat die Zeitung mit ihrer dreiköpfigen Redaktion vier Spendenaktionen hinter sich ­– und existiert irgendwie fort, man könnte fast von einem Medienwunder sprechen. Die Entwicklungen und Umbrüche der Branche, die Zug­luft, die ihr entgegenschlägt, scheinen am «P.S.» einfach vorbeizugehen. Onlinejournalismus oder Social Media – «diese digitale Welt interessiert mich nicht», sagt Löpfe. «Diese neuen Plattformen produzieren häufig Inhalte, die ich einfach nicht relevant finde.» Aktuell bezeichnet er den Zustand der Zeitung als «relativ stabil», mit einer Auflage von 6000 Exemplaren und 2000 zahlenden Abonnenten.

Eine Zeitung als Hobby?
Natürlich traten die Spötter gleich kurz nach der Lancierung und den zahlreichen Neustarts auf den Plan. Löpfe habe dieses Blatt allein für sich selbst gegründet, hiess es. Es sei sozusagen sein Hobby, während seine Ehefrau, die Ärztin, für das Einkommen sorge. Löpfe nahm das immer mit Humor. Seine Devise: Zum Leben brauche er seine Frau, zum Arbeiten das «P.S.». Ein ganz anderer Punkt war Löpfes Verknüpfung mit der Politik. Immerhin war er von 1991 bis 2009 Präsident der Stadtzürcher SP, gestaltete also die lokale Politik massgeblich mit. Schmälerte das nicht seine Glaubwürdigkeit als unabhängiger, kritischer Journalist? Fungierte sein «P.S.» nicht lediglich als sein persönliches Sprachrohr für die SP? Löpfe widerspricht. «Ich habe nie über Insiderwissen verfügt», sagt er. «Ich hatte auch nie ein Verhältnis zu den Stadträten, das ich journalistisch ausspielen konnte, gab über das P.S. auch nie irgendwelche Direktiven aus, wenn ich natürlich auch nie geschrieben habe, man solle keine SP-Stadträte wählen.»  Das «P.S.» sieht sich als parteipolitisch unabhängig, es ist kein Mitgliederblatt der SP. Immerhin hatte auch schon die SVP in Löpfes Blatt inseriert. Und zur Überraschung mancher Linker unterstützte Löpfe bei den Stadtratswahlen im Frühling 2013 nicht etwa Richard Wolff, sondern seinen liberalen Herausforderer Marco Camin, den er damals für die «sicherere Wahl» hielt. Mittlerweile findet Löpfe für «Richi» äusserst lobende Worte. «Sein konsequenter Umgang mit der Bestechungsaffäre bei der Sittenpolizei war ausgesprochen stark», fügt er als Beispiel an, um gleich lustvoll nachzuschieben: «Wenn Wolff allerdings bei der Polizei bleiben sollte und Filippo Leutenegger zum Tiefbau geht, dann läuft etwas schief im Stadtrat.»

Es spricht in diesem Moment wieder der Politiker, und es scheint, als ob sich Löpfe in den Politbetrieb zurücksehnen würde, von dem er sich 2009 verabschiedet hatte. Löpfe allerdings winkt ab. Das Einzige, was er manchmal vermisse, sagt er, seien  die Kampagnen, die er immer mit besonderer Leidenschaft gestaltet hat.  Auf der anderen Seite war es auch die Kampagne  für Corine Mauch als Stadtpräsidentin gewesen, welche der Auslöser für seinen Rückzug als Parteipräsident gewesen ist. «Dieser Wahlkampf war sehr anstrengend, er hat mich ungeheuer viel Energie gekostet. Ich arbeitete 14 bis 15 Stunden am Tag. Am Ende, nach dem Sieg, fühlte ich mich erschöpft. Ich wusste: Die Zeit ist gekommen, um mit der aktiven Politik aufzuhören.» Erst nachträglich werde ihm bewusst, wie gross sein Einfluss auf die Stadtzürcher SP eigentlich gewesen sei, meint Löpfe. Er habe den Zusammenhalt innerhalb der Partei gestärkt, die verschiedenen Lager mit Entschlossenheit zusammengehalten, ohne sich zu stark in den Vordergrund zu drängen. Löpfe hat noch erlebt, wie Frauen wie Ex-Stadträtin Ursula Koch mit Verve gegen ideologische Mauern ankämpfen mussten, als Macht nicht bloss eine Frage der nüchternen Logik und Verwaltung war. Ursula Koch bezeichnet Löpfe denn auch als die «dominante Figur» in der neueren Geschichte der SP, eine Frau, die einen eigentlichen Umschwung ermöglichte. Heute sei die SP pragmatischer, praktischer geworden, weniger emotional, Durchbrüche wie die Wahl von Corine Mauch zur Stadtpräsidentin finden eher unaufgeregt statt. «Dabei hätte ich mir 1970, als ich in die Sozialistische Jugend eintrat, niemals träumen lassen, dass wir in Zürich einmal eine Stadtpräsidentin haben würden.»

Wie es weitergeht mit dem «P.S.», das kann Löpfe zum Abschluss des Gesprächs nicht konkret beantworten, immerhin lebt man in den Redaktionsräumen seit jeher mit der Ungewissheit, dass auch eine Spendenaktion irgendwann nicht mehr helfen könnte. Am 28. März feiert das Blatt jedenfalls sein 15-Jahr-Jubiläum mit einem Fest im Provitreff. Ab 18 Uhr gibt es Suppe und Raclette. Später spielt eine Band – sie heisst Zugluft.

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