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Porträt

Will mit Zürich hoch hinaus: Guglielmo Louis Brentel, Präsident von Zürich Tourismus. Bild: Nicolas Y. Aebi

Ein Weltenbummler und Stratege für Zürich

Von: Sacha Beuth

30. Juni 2015

Als neuer Präsident von Zürich Tourismus kann Guglielmo Louis Brentel (60) auf eine umfangreiche internationale Erfahrung in Hotellerie und Gastronomie zurückblicken. Nun will er dafür sorgen, dass Zürich als Reiseziel nicht den Anschluss verliert.

Er spricht fünf Sprachen fliessend, ist Präsident der Hotelfachschule Lausanne (Ecole Hôtelière Lausanne SA) und Verwaltungsrat der Flughafen Zürich AG, führt im Management ein Hotel und hat diverse Hotels im In- und Ausland wieder auf Vordermann gebracht, etwa das Hotel Belvoir in Rüschlikon. Der Leistungsausweis des neuen ­Zürich-Tourismus-Präsidenten Guglielmo Louis Brentel ist beeindruckend. Dem kann auch ein kleiner Makel in Sachen Repräsentation wenig anhaben: Statt Züritüütsch spricht der 60-Jährige breiten Berner Oberländer Dialekt. «Ich spreche zwar Berndeutsch, im Herzen und in der Denkweise aber bin ich Zürcher», betont Brentel. ­Zudem würden seine beiden Söhne Züritüütsch sprechen.

Dass Brentel seine Bestimmung einst in der Hotellerie und im Tourismus finden würde, war früh abzusehen. Als er 1955 in Unterseen BE bei Interlaken zur Welt kommt, führen seine Eltern nicht nur einen Handel mit Früchten, Gemüsen und allerlei Souvenirs, sondern auch ein Hotel. Bereits als Kind muss er im Betrieb mit anpacken und sich durch das familiäre Sprachenwirrwarr kämpfen. «Die Familien meiner Eltern stammen aus Italien, genauer aus Südtirol respektive Bergamo. Diejenige meiner Grossmutter aus der Romandie. So wurde am Tisch Italienisch und mit den Eltern Deutsch gesprochen, während sich mein Vater mit seiner Mutter auf Französisch unterhielt.» Hinzu kamen wegen der vielen Touristen aus Grossbritannien auch englische Ausdrücke.

Mit acht Jahren sieht Brentel, wie die Hotel­köchin für ihr Weihnachtsmenü von den Gästen gefeiert wird. «Das wollte ich auch einmal erleben, und so strebte ich von da an eine Karriere im Gastgewerbe an – obwohl ich auch gern Lehrer oder Arzt geworden wäre», erinnert sich Brentel. Weil die Hotelfachschule in Lausanne damals aber nur Personen aufnimmt, die eine abgeschlossene Berufslehre oder Matura vorweisen können, absolviert er erst eine Verwaltungslehre beim Betreibungs- und Konkursamt Interlaken. Von 1973 bis 1978 lernt er in der Romandie alles, was man im Hotelgewerbe wissen muss, wobei er die Ausbildung für RS und eine Sprachschule in London ein Jahr unterbricht. Nach seinem Abschluss will er nach Australien, hat jedoch keine Chance, eine Arbeitsgenehmigung zu bekommen. «Da fragte mich ein Schulkamerad, ob ich nicht im peruanischen Hauptstadt Lima ein Hotel, das seiner Familie gehöre, arbeiten wolle.» Brentel sagt zu und erhält gleich den Posten des operativen Managers. Bei seiner Ankunft in Peru erwartet er, sich um ein kleines ­Hotel kümmern zu dürfen. Stattdessen trägt er die Verantwortung über eine Luxusherberge mit 500 Zimmern und 8 Restaurants. Brentel verdient sich schnell Anerkennung und kommt mit den höchsten Kreisen in Kontakt. «Ich war gerade 23 Jahre alt, fühlte mich aber wie der König von Peru.»

Nach zweieinhalb Jahren zieht es ihn in die USA. Doch erneut kann er die Pläne begraben, weil er keine Arbeitsgenehmigung erhält. Er kehrt in die Schweiz zurück und sucht zwei Monate lang eine Stelle. «Zum Glück das einzige Mal in meinem Leben, wo ich ohne Job war.» Dann setzt ihn Swissôtel als Sales Manager für den Betrieb in Genf ein. 18 Monate später schickt ihn das Unternehmen nach Zürich, wo er kurz darauf zum Sales Manager für Europa ernannt wird, und dann 1984 nach New York.

Putzdienst als Manager

Das dortige Swissôtel steckt in argen Schwierigkeiten und hat Ärger mit der Gewerkschaft. Brentel hat alle Hände voll zu tun und verschiebt sogar seine Hochzeit. Als ein Streik ausbricht, kommen ihm seine Erfahrungen an der Front und seine Ausbildung in Lausanne zugute. «Das Management hat dann den Betrieb einen Monat lang ­allein weitergeführt. Wir haben jeweils in zwei Schichten gearbeitet und in einer Schicht unsere normale Arbeit erledigt und in der anderen die Zimmer geputzt oder als Portier oder Concierge geamtet. Obwohl es eine sehr intensive Zeit war, möchte ich sie nicht missen.»

Im Herbst wird die Hochzeit schliesslich nachgeholt. «Bald darauf wurde meine Frau schwanger und wollte zurück in die Schweiz. Für uns beide war klar, dass dies nur Zürich sein konnte.» In der Limmatstadt wechselt Brentel die Firma, wird dort erst Berater, dann Manager und macht sich 1989 selbstständig, indem er in Wetzikon ein Hotel pachtet. Von nun geht es Schlag auf Schlag. In den kommenden Jahren wird er zum Präsidenten der Zürcher Hoteliers gewählt, kauft und pachtet weitere Hotels, die er aber einige Zeit später bis auf das Chesa Rosatsch in Celerina GR wieder veräussert, um sich anderen Aufgaben zu widmen.

Anlässe besser verteilen

Mehr und mehr verlagert sich seine Tätigkeit vom operativen in den strategischen Bereich. 2005 gewinnt er eine Kampfwahl um das Amt des Präsidenten des Verbands Hotelleriesuisse, den er in den folgenden neuneinhalb Jahren «entstaubt» und in eine moderne Organisation umwandelt. Weitere Führungs-, Beratungs- und Verwaltungsratsmandate in der ganzen Schweiz kommen hinzu. Seit dem 10. Juni 2015 ist er auch für die ­strategische Führung von Zürich Tourismus verantwortlich. Und sieht einigen Handlungsbedarf. «Zürich ist eine Stadt, die vom kulturellen Angebot her gut mit grossen internationalen Metro­polen mithalten kann, ohne aber deren Probleme wie etwa Ghettoisierung zu haben. Allerdings müssen wir aufpassen, dass wir uns jetzt nicht einfach zufrieden zurücklehnen und den Anschluss verlieren», warnt Brentel. Gerade, wenn man als Hochpreisinsel gelte. «Als Premiumdestination müssen wir auch entsprechende Qualität liefern.» Bezüglich Hotellerie sei insbesondere im mittleren Bereich noch Luft nach oben. «Ausserdem ist es enorm wichtig, dass der Flughafen weiter qualitativ wachsen kann und Zürich endlich ein modernes Fussballstadion sowie insbesondere ein zeitgemässes Kongresszentrum mit internationaler Ausstrahlung bekommt. Und zwar an ­einer attraktiven Lage wie etwa beim Hauptbahnhof und nicht nur in Dübendorf.»

Eine weiteres Problem hat Brentel in der ­Konzentration der Grossanlässe an einem Ort ausgemacht. «Fast alle finden am Seebecken statt. Da wundert es nicht, dass viele Anwohner die Nase voll haben. Der Tourismus hat aber auf lange Sicht nur Chancen, wenn er bevölkerungsverträglich ist.» Grundsätzlich müssten alle wieder mehr Verständnis für die Gegenseite auf­bringen. «Nur so gelingen innovative Projekte. Zuletzt waren wir vor allem Weltmeister im Verhindern.» Weiter müsse man international vom Image als Bankenplatz wegkommen und Zürich mehr «als Zentrum der Schweiz mit wunder­baren Naturerlebnissen in unmittelbarer Nähe» verkaufen.

Brentel bleibt darum nur wenig Zeit für seine Hobbys wie Biken, Schwimmen oder die Be­suche in den Pop-up-Restaurants in seinem ­Lieblingsquartier Seefeld. Stattdessen eilt er von Delegiertenversammlung zu Sitzung und Medientermin. «Wenn wir die Destination Zürich voranbringen wollen, müssen wir eng mit Politik, Wirtschaft, den Hochschulen, dem Flughafen, dem Gastgewerbe, dem Detailhandel und der Bevölkerung zusammenarbeiten.»

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Leserkommentare

raghavan vasudevan - Wish you good luck Mr Brentel.

Vor 8 Jahren 8 Monaten  · 
Noch nicht bewertet.

Sibyle Jenni - wow, da hat sich Tourismus Zürich wohl einen guten Mann geholt. Ich hoffe, dass sie ihn auch entsprechend schätzen und von ihm lernen. Es gibt selten so hervorragende Meister.

Vor 8 Jahren 8 Monaten  · 
Noch nicht bewertet.