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Porträt

Julius Chrobak: "Alles, was ich brauche, sind mein Hirn, meine Hände und einen Computer." Bild: JS

Er erweckt Daten zum Leben

Von: Jan Strobel

22. Oktober 2013

Die Leidenschaft des Softwareentwicklers Julius Chrobak sind Daten. Der Start-up-Unternehmer macht mit ihnen ein zukunftsweisendes Geschäft.

Was auffällt in Julius Chrobaks Welt  ist zuerst einmal die Nüchternheit, das Weiss des Raums, die Flasche stillen Wassers auf dem Tisch, das Notebook. Er klappt es auf und sagt: «Alles, was ich brauche, sind mein Hirn, meine Hände und einen Computer. Du kannst deine Ideen mit Leuten aus der ganzen Welt im virtuellen Raum Wirklichkeit werden lassen.»

Es klingt nach Grenzenlosigkeit, nach einer Freiheit, die in dem Moment entsteht, in dem das Display dieses Notebooks zu leuchten beginnt und sich Chrobak seiner Berufung hingibt, dem Programmieren, dem Entwickeln von Systemen, dem Sammeln und Zusammenfügen von Daten. Seine Leidenschaft zum Systematischen möchte er mit dem Alltag verbinden. Das war schon sein Ziel, als er Ende der 90er-Jahre in der slowakischen Hauptstadt Bratislava Softwareentwicklung studierte und 2007 zur UBS nach Zürich kam.

«Daten», meint der 32-Jährige, «erklären uns die Welt, sie ermöglichen es uns, angenehmer zu leben, Entscheidungen einfacher zu treffen.» Und schliesslich eröffnen sie bisher ungeahnte Möglichkeiten für Geschäftswelt und Institutionen. Daten zu Business zu machen, das ist Chrobaks eigentlicher Antrieb, deshalb hat er auch 2012 zusammen mit einem Partner sein Start-up-Unternehmen mingle.io gegründet.

Der Schlüsselbegriff lautet Open Data, um den sich in der Schweiz seit etwa drei Jahren eine regelrechte Gemeinschaft gebildet hat. «Eine erstaunlich schnelle Entwicklung. Zürich spielte dabei eine Vorreiterrolle», meint Chrobak. Diese Open-Data-Community möchte Daten «öffentlich, frei verfügbar und nutzbar machen für mehr Transparenz, Innovation und Effizienz». Das gilt besonders für statistische Erhebungen von öffentlichen Verwaltungen, das sogenannte Open Government Data. Die Stadt Zürich und ihre Verwaltung spielten darin eine Pionierrolle. Ihre gesammelten Zahlen und Fakten über Bauen und Wohnen, Freizeit, Wirtschaft oder Soziales sind als Datensätze
allesamt online abrufbar und, für Chrobaks Unternehmen besonders wichtig, zur freien Weiterverwendung gedacht.

«Die Möglichkeit, diese Daten frei benutzen zu können und sie unseren Kunden zu liefern, ist in der Marktforschung oder bei der Entwicklung von neuen Apps von unschätzbarem Wert. Wir bringen mit unserer Technologie eine Struktur in diese Datenflut, lösen das Gärtchendenken auf und verbinden  die verschiedenen Interessengruppen miteinander. Jeder kann bei uns seine Daten mit bereits vorhandenen mischen und über eine einzige Schnittstelle darauf zugreifen.»

Virtueller Strassenreiniger
Ein reger Austausch, sozusagen ein Brainstorming unter Daten-Enthusiasten, findet derzeit an den «Hacknights» statt, organisiert von der Stadt Zürich. Chrobaks mingle.io ist als offizieller Partner mit von der Partie, das nächste Mal am 29. Oktober.

Wenn Chrobak von den Möglichkeiten erzählt, den Ideen, die bei diesen Treffen herumschwirren, wirkt seine Begeisterung auch für den eher zahlen- und technikfernen Zuhörer ansteckend. «Ein Projekt versucht zum Beispiel einen Allergie-Index für die Stadt zu entwickeln. Jeder einzelne Baum auf öffentlichem Boden ist in Zürich bereits registriert und abrufbar, geordnet nach Typ. Verbindet man diese Daten mit den Wind- und Temperaturmessungen zum Beispiel von Meteo Schweiz, ergibt sich eine laufend aktualisierte Karte. Wenn ich Pollenallergiker bin, weiss ich dann, welche Orte in der Stadt ich gerade meiden sollte.»

Bereits entwickelt hat Chrobak den «Streetcleaner». Ist zum Beispiel eine Adresse der Stadt auf einem Brief oder in einem Formular unleserlich, ermittelt dieses Programm in Sekundenschnelle aus dem hingeschmierten Gekritzel den korrekten Strassennamen. Aus «nssbstr.» wird «Nussbaumstrasse», aus «Pradapltz» «Paradeplatz». «Mit solchen Projekten werden Daten wirklich zum Leben erweckt», sagt der Softwareentwickler.Der Boom, der die Open-Data-Bewegung derzeit erlebt, mag angesichts der NSA-Affäre manchen überraschen. Öffentliche Daten einfach weiterzuverwenden und damit Geld zu machen, da schrillen bei manchem die Alarmglocken.

Chrobak schüttelt den Kopf. «Wir schaffen ja gerade Transparenz. Sie ist ein Bedürfnis der Gesellschaft geworden, wenn es um staatliche Behörden geht», meint er. «Wir setzen das öffentliche Interesse kreativ um, geben Unternehmen Anreize und schaffen damit wieder neue Jobs.» Die einzige Gefahr könne allerdings in einer unbeabsichtigt falschen Interpretation dieser Daten bestehen, schiebt Chrobak nach.

An der «Hacknight» werden er und seine Open-Data-Mitstreiter jedenfalls wieder einen weiteren ganz lebensnahen Prototyp eines Projekts diskutieren: Auf einer interaktiven Stadtkarte haben sie alle Altersheime der Stadt markiert, kombiniert mit der jeweiligen Lärmbelastung, sowohl nachts als auch tagsüber. Das Datenwunder nennen sie ganz treffend «Zürich fürs Leben».

www.mingle.io

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Leserkommentare

f. m. - Tolles Projekt, viel Glück! Man staunt manchmal was für Zahlen entstehen wenn man öffentliche Daten aus verschiedenen Quellen gegeneinander stellt.

Vor 10 Jahren 5 Monaten  · 
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