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Porträt

2018 besuchten die beiden die Hochzeit von Victorias Cousine in ihrer Heimat Moskau. Das Bild entstand in einer lauen Sommernacht im Stadtzentrum, im Hintergrund ist der Kreml sichtbar. Bild: PD

Zukunftsplanung mit Excel-Tabelle

Von: Sibylle Ambs

19. März 2019

Binationale Paare: Auf einer Fähre im Bottnischen Meerbusen, zwischen Schweden und Finnland, lernten sich Victoria Leontieva aus Moskau und Fabian Schmid aus Zürich kennen – und lieben.

Erstes Zusammentreffen auf neutralem Boden im Februar 2005: In internationalen Gewässern irgendwo zwischen Schweden und Finnland, konnte Victoria Leontieva aus Moskau wegen Seekrankheit nicht schlafen und erkundete die Fähre. Sie traf auf Fabian Schmid aus Zürich, und die beiden kamen ins Gespräch. «Ich dachte zuerst, Fabian sei Schwede», erinnert sich Victoria. Die damals 20-jährige Finanzanalystin war mit einer Freundin auf Reisen. «Ich war neugierig und dachte, ich sehe Fabian sowieso nie mehr. Deshalb habe ich ihn gelöchert mit Fragen über das Bankenwesen und den Mehrwertsteuersatz in seiner Heimat.»
 
Was eher nicht romantisch klingt, hat aber trotzdem grossen Eindruck hinterlassen: «Nicht zuletzt aufgrund ihrer speziellen Fragen fand ich Victoria eine sehr interessante Frau. Sie sprach neben Deutsch und Russisch auch Englisch und Tschechisch und kannte sich aus im Finanzwesen.» E-Mail-Adressen wurden ausgetauscht. Zurück in Moskau, wartete auf Victoria Post aus der Schweiz, und bereits im März fand sich Fabian das erste Mal in der russischen Hauptstadt wieder. «Moskau hat mir anfangs nicht gefallen, ich war jedoch beeindruckt von der reichhaltigen Kultur, der Weite und der Grösse des Landes.» Es folgten viele weitere Besuche: Während zweier Jahre flog Fabian jeden Monat nach Moskau. «In dieser Zeit nahm ich hier in Zürich auch Russisch-Unterricht.» Und weil es in der Millionenstadt Moskau alles zu kaufen gibt, was das Herz begehrt – Schweizer Schokolade inbegriffen –, brachte er Victoria Mutters selbst gemachte Konfitüre mit. 

Für die beiden war relativ bald klar: Sie wollten zusammenbleiben. Bloss, in welchem Land, diese Frage stand eine Weile offen. «Ich habe mich auf Stellensuche in Moskau versucht», erinnert sich Fabian. «Das war aber vor allem wegen der Sprache nicht einfach, und so haben wir es umgekehrt versucht.» Durch einen Kontakt bei der Aeroflot, der russischen Fluggesellschaft, die Fabian die letzten zwei Jahre weiss Gott zur Genüge kennen gelernt hatte, erhielt Victoria bald ein vielversprechendes Job-Angebot im Finanzbereich. «Als ich schliesslich in die Schweiz gekommen bin, habe ich meinen Koffer abgestellt und direkt angefangen zu arbeiten.» 

Für Victoria war vieles neu und anders: «In Moskau kannst du jederzeit alles machen, wonach dir der Sinn steht. Du kannst morgens um vier Schlittschuh laufen gehen, wenn du Lust hast. In der Schweiz wird viel besser geplant, hier freut man sich vier Monate im Voraus auf ein bestimmtes Konzert.» Apropos Planung: Fabian, der sich selber als kreativen Menschen bezeichnet, hat irgendwann einmal eine Excel-Tabelle erstellt, um ihre gemeinsame Zukunft zu regeln. «Als ich sah, wann er unsere Hochzeit eingeplant hat, musste ich intervenieren», lacht Victoria. Da wäre sie nämlich bereits 27 Jahre alt gewesen – also «altes Gemüse», wie man in Russland sagt. Kurz nachdem Victoria in die Schweiz gekommen war, wurde somit in Ma­lans geheiratet. Das war 2007. Inzwischen haben die beiden zwei Töchter. Lotta ist acht, Marie ist fünf Jahre alt. «Ich spreche mit ihnen Russisch, sie sind aber richtige kleine Schweizerinnen», lacht Victoria. Sie hat die Schweizer Beschaulichkeit inzwischen schätzen gelernt und fühlt sich rundum wohl hier. Für Fabian war nicht zuletzt die gesunde Bescheidenheit seiner Frau, gepaart mit einer Portion Ehrgeiz und Selbstsicherheit, wegweisend, dass ihr gemeinsamer Start in der Schweiz problemlos funktionierte.

3 Fragen an... Victoria Leontieva aus Moskau:

Das Beste an der Schweiz? Die Diskussionskultur. Man liest Zeitung und man diskutiert darüber.

Das Beste an den Schweizern? Ihr Humanismus. Die Schweizer denken nicht nur an sich, sondern auch an ihr Umfeld, ihre Umgebung. Die Schweizer sprechen drei Sprachen, das spricht für ihre grosse Offenheit.

Der grösste Unterschied zu Moskau? In der Schweiz lebt man kulturell vernetzt. In Russland ist man isoliert, man hört Englisch zum Beispiel nur im Fernsehen.

Zu ihrer Hochzeit 2007 in Malans kamen Freunde aus der ganzen Welt ins beschauliche Graubündner Dörfchen. Für die damals 22-jährige Victoria Leontieva und den 27-jährigen Fabian Schmid war es einer der glücklichsten Tage in ihrem Leben.

Binationale Paare gesucht!

In einer losen Serie porträtiert das «Tagblatt» binationale Paare, die wegen der Liebe migriert sind. Die aufzeigen, welchen Weg ihr gemein­sames Leben genommen hat, wel­che Hürden gemeistert werden mussten. Wir freuen uns auf vielfältige Lebensgeschichten. Bitte melden unter: redaktion@tagblattzuerich.ch

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