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Reportage

In diesem Wohnblock in Oerlikon wohnt Gila Fankhauser in einer modernen 2,5-Zimmer-Wohnung und bekocht fremde Gäste.

Allein, aber nicht einsam

Von: Ginger Hebel

11. Dezember 2018

Wohnformen: Wie leben Menschen in Zürich? Das «Tagblatt» gewährt in loser Folge einen Blick hinter die Fassaden. Heute: Gila Fankhauser in ihrer Neubauwohnungin Oerlikon, wo sie an Heiligabend für fünf fremde Gäste kocht.

Gila Fankhauser hat schon so ziemlich überall in Zürich gelebt. «Ich zügle sehr gerne. Nach einem Jahr kommt immer die Phase, wo ich wieder meine Sachen packen könnte.» Zügeln bedeutet für sie Neubeginn. «Bei jedem Umzug trenne ich mich von vielen Dingen. Loslassen tut gut.» Seit einem Jahr wohnt sie in einer 2½-Zimmer-Neubauwohnung in Oerlikon. Grosse Fenster bringen viel Licht in die Räume, sie liebt den offenen Grundriss, «ich fühle mich hier wie in einem Adlerhorst. Abgeschottet und dennoch mittendrin.» Von ihrem Wohnzimmer blickt sie direkt auf das Geschehen am Sternen Oerlikon. Sie mag die Lebendigkeit dieses Quartiers. «Oerlikon ist wie eine kleine Stadt, man findet hier alles und hat Tram und Bus gleich vor der Tür.» Ihre drei Kinder und fünf Enkelkinder leben ebenfalls alle in der Zürcher City.

Ihr Lieblingsort in der Wohnung: die weisse offene Küche mit dem runden Esstisch. Einmal pro Woche wird sie zur Begegnungszone. Dann, wenn Gila für fremde Gäste kocht und sie mit frischen, saisonalen Menüs beglückt. Ihr Mittagstisch hat sich im Quartier herumgesprochen. Es kommen Informatiker, Sekretärinnen und Anwälte aus der Gegend, aber auch Pensionierte und Alleinstehende, die Lust am Austausch haben. «Es entstehen immer neue Tischrunden und lustige Gespräche», sagt Gila Fankhauser. Es sei schon vorgekommen, dass man nach dem Essen noch bei einem Grappa zusammensass, «plötzlich war es drei Uhr nachmittags».

Über die Plattform Margrit können sich alle, die Lust auf ein Essen bei privaten Gastgebern haben, anmelden und den Betrag im Voraus bezahlen. So sind Hobbyköchinnen und Hobbyköche abgesichert, sollten die Gäste dann doch nicht erscheinen. Gila Fankhauser kocht mit Freude für andere. «Ich wohne zwar gerne alleine, aber alleine essen finde ich ziemlich öde.» Die 66-Jährige kam in Deutschland zur Welt. Ihre Eltern führten Hotels und Restaurants, als Familie zogen sie oft um. Das erkläre ihre unbändige Lust auf Tapetenwechsel. Mit 19 kam sie als Au-pair nach Zürich, lernte ihren ersten Mann kennen und blieb. Jahrelang arbeitete sie als Familienbegleiterin bei der Stadt Zürich. Sie war die erste Sozialarbeiterin der Genossenschaft Asig und baute in Schwamendingen die Nachbarschaftshilfe auf. «Ich habe mich schon immer gerne engagiert.»

Seit fünf Jahren lebt Gila Fankhauser alleine. Anfangs sei es eine Umstellung gewesen. «Früher hatte ich immer ein volles Haus, mit Mann und Kindern, nun haben Freunde und kulturelle Interessen Vorrang.» Sie hat viele Ideen im Kopf, die sie auch umsetzt. An Heiligabend lädt sie zum zweiten Mal fünf Leute zu sich nach Hause ein und verwöhnt sie mit einem festlichen Menü. Mit Prosecco und Blätterteigherzen, Mango-Avocado-Salat, Fleischkäse aus dem Ofen und hausgemachtem Kartoffelsalat sowie Orangensalat mit Datteln und Eistorte. «Letztes Jahr war es wirklich schön, sodass ich dachte, ich mache das gleich nochmals.» Den Erlös des Weihnachtsessens will sie an die Schweizer Palliativstiftung für Kinder und junge Erwachsene spenden.

Ihre drei erwachsenen Kinder feiern Heiligabend mit ihren eigenen Familien, «wir sind dann am 25. Dezember alle zusammen. Aber es ist ja nicht nötig, dass man drei Tage permanent gemeinsam verbringt, das macht man unter dem Jahr ja auch nicht.» Zu ihren Essen kommen viele Menschen, die alleine sind. «Es sind mehr Menschen einsam, als man meint, vor allem jüngere», stellt Gila Fankhauser fest. Sie setzt sich auf ihren Relaxstuhl im Wohnzimmer. «Hier kann ich gut die Beine hochlagern.» Sie leidet an Rheuma – mit ein Grund, warum sie Leute lieber zu sich nach Hause einlädt als selber rausgeht. «Ich fühle mich einfach wohler daheim.»

An der Wand hängt ein grosses Foto. Darauf zu sehen sind ihr Sohn und ihre Enkelin, wie sie gemeinsam die Wälder Schwedens erkunden. Stolz ist sie auf ihre Keramikschalen und Objekte, die sie alle selber herstellt und brennt. «Mein Herz gehört der Keramik.» Auch das Geschirr ist handgemacht. Freude hat sie auch an ihren Zimmerpflanzen. Dass sie einen grünen Daumen hat, sieht man auf dem Balkon. Hier blühen auch jetzt im Dezember noch Blumen, und es wachsen Weintrauben.

Wie wohnen Sie?

• Leben Sie in einem Generationenhaus oder in einer WG? 

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Melden Sie sich bei uns. Redaktorin Ginger Hebel Tel. 044 248 63 82

ginger.hebel@tagblattzuerich.ch

Alleine an Heiligabend? Wo man mitfeiern darf!

• Zu Hause bei Margrit Fankhauser (Platzzahl beschränkt). Kosten fürs Weihnachtsmenü: 36 Franken. Anmeldungen via:

www.margr.it/gila

• Traditionelle Caritas-Weihnachtsfeier am 24.12. im Volkshaus. Abendessen und Weihnachtsgeschichte in feierlichem Rahmen. Teilnahme ist kostenlos. Keine Anmeldung nötig. Ab 18 Uhr, Stauffacherstrasse 60.

• In den Zürcher Kirchen finden verschiedene Feiern statt. Im Kirchgemeindehaus Seebach heisst es «Zäme Wiehnacht fiire» für Menschen, die nicht alleine feiern möchten, mit Essen. Anmeldung bis 16. Dezember.

Weitere Angebote:

www.kirche-zh.ch/weihnachten

 

 

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