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Reportage

Gläserne Schaukästen, bepflanzte Betontröge: So sollte 1971 die neue Bahnhofstrasse aussehen, verwirklicht wurde nur ein Teil, der bis in die 90er stehen blieb. Bilder: Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich

Die diskrete Königin aller Strassen

Von: Jan Strobel

28. Juli 2015

150 Jahre Bahnhofstrasse: Zum Jubiläum ist jetzt ein reich illustriertes Buch über die Geschichte und die Geschichten des Zürcher Prachtboulevards erschienen.

«Ohne weiteres ist die Bahnhofstrasse die berühmteste Strasse der Schweiz. Dass die berühmteste Strasse eines reichen und freien Landes schlicht ‘Bahnhofstrasse`heisst, mag bereits Zeugnis ablegen von der ortsüblichen Zurückhaltung.» So nähert sich der Schriftsteller und Essayist Philipp Tingler in seinem Gastbeitrag im Buch «Bahnhofstrasse Zürich. Geschichte - Gebäude - Geschäfte» dem Wesen dieses Boulevards an, der Zürich vor 150 Jahren zu dem machte, was es heute ist. Zwischen den Polen Hauptbahnhof und See sollte der Traum von der modernen Grossstadt endlich Wirklichkeit, die beinah noch mittelalterliche Enge ausgelüftet werden. Zürich folgte mit seinem Metropolen-Projekt, intiiiert vom genialen Industriellen Alfred Escher, dem Zeitgeist: In Paris  liess Stadtplaner Eugène Haussmann in den 1850er Jahren grosszügige Boulevards anlegen. Auch in Wien wurden die alten Wallanlagen und Kanäle auf Geheiss des Kaisers geschleift und an ihrer Stelle die Ringstrasse gebaut. Zürich musste, schon aus topografischen Gründen, kleinere Brötchen backen. «Hier wurde alles etwas bescheidener, krumm und auch etwas schief», umschreibt es Werner Huber, Redaktor für Architektur bei «Hochparterre», Autor und Herausgeber dieses aussergewöhnlichen Buchs.

Huber spannt den Bogen von der langsamen und zähen Geburt der Bahnhofstrasse bis in die Gegenwart. Illustriert werden die Geschichte und die Geschichten hinter dem Boulevard und seinen Gebäuden mit zum Teil bisher unveröffentlichten Fotografien. Stadtpläne dokumentieren die Entwicklung der Bahnhofstrasse in den jeweiligen Zeitabschnitten. Aufklappseiten stellen überdies die Fassaden jedes einzelnen Hauses dar. Die Pläne wurden eigens für dieses Buch gezeichnet. Der Leser staunt - und schüttelt bisweilen ungläublig und auch etwas wehmütig den Kopf: Denn während der letzten 150 Jahre wurden der Bahnhofstrasse im Rückblick so einige Wunden zugefügt. Die Abrissbirne machte auch vor den prächtigsten Geschäftshäusern nicht Halt. Verspielte, kunstvolle Fassaden wurden im Geist der 50er und 60er Jahre «purifiziert», bereinigt. Heraus kam dabei  mancherorts ziemlich austauschbare, auch provinzielle, Architektur. Den verschwundenen Perlen widmet das Buch zu Recht eine eigene Ahnengalerie.  Doch bei aller Wehmut, auch das zeigt uns Hubers Band, bleibt die Bahnhofstrasse ein weltweit einmaliger Ort, denn nirgends ist die Schweiz weltläufiger - und nirgends wird die Welt schweizerischer.

Werner Huber: «Bahnhofstrasse Zürich. Geschichte - Gebäude - Geschäfte», Edition Hochparterre, 300 Seiten, 98 Franken.

Drive-In: 1962 war die grösste Autobank Europas im Bärenhof der Inbegriff der Moderne.

Verschwundene Perle: Das 1905 erbaute «Mercatorium»war das erste reine Geschäftshaus an der Bahnhofstrasse. Es befand sich bei der Einmündung der Pelikanstrasse.

Der Jelmoli-Glaspalast, 1903.

Lichtreklamewand mit «Tagblatt»-Werbung am Bahnhofplatz 5, 1970.

Ebenfalls längst verschwunden: Das Cinema Rex.

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