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Reportage

Annemarie De Zorzi kümmert sich um die perfekte Anpassung der Zweithaarfrisur.

"Haarlos fühlen sich viele erst so richtig krank"

Von: Ginger Hebel

24. März 2015

Bei Rolph dreht sich seit 50 Jahren alles um Perücken, Toupets, Zweithaar und Extensions. Wir haben das Atelier besucht, wo Perücken genäht, geknüpft und individuell angepasst werden.

Im Perückenatelier knüpft Claudia Rufli mit einer Knüpfnadel blonde Mèches in ein braunes Haarteil mit Fransen. Es ist eine knifflige Arbeit, sie braucht eine ruhige Hand. «Ich mag den Job, weil er abwechslungsreich ist und man selbstständig arbeiten und die Kreativität walten lassen kann.» Jeder noch so ausgefallene Farbwunsch kann im Knüpfatelier realisiert werden. Seit fünf Jahren arbeitet Claudia Rufli als Näherin und Knüpferin bei Rolph, dem Spezialisten für Zweithaar seit einem halben Jahrhundert.

Das Perückenlager in Kloten umfasst 2000 Perücken und 150 verschiedene Modelle, Haarteile und Echthaar-Extensions. Von hier aus werden Coiffeursalons in der ganzen Schweiz beliefert. Zu Rolph kommt, wer ein Haarproblem hat: Sehr oft sind es Personen mit Haarausfall in Folge einer Chemotherapie oder mit Alopecia (kreisrundem Haarausfall) sowie Männer, die kahle Stellen auf dem Kopf haben und darunter leiden. «Mit schütterem Haar muss sich heute niemand mehr abfinden», sagt Geschäftsleiter Ralph Anderegg. Die Meinung, dass man es sieht, wenn man ein Toupet trägt, hat sich in die Köpfe vieler eingebrannt – fälschlicherweise, wie er findet. «Die Qualität hat sich im Laufe der Jahre massiv verbessert. Ein Herrenhaarteil wiegt heute nur noch 29 Gramm, es ist also federleicht und fügt sich harmonisch ins eigene Haar ein», erklärt Anderegg.

Annemarie De Zorzi ist gelernte Coiffeuse und arbeitet seit 18 Jahren als Zweithaarspezialistin bei Rolph. Sie kümmert sich um die perfekte Anpassung der Perücke und des Haarteils und besucht als Bereichsleiterin Spitäler die Chemopatienten auch in den Kliniken. Sie versucht sie zu trösten, wenn ihnen durch die Therapie die Haare ausfallen, und rasiert sie ihnen auf Wunsch auch weg. Viele können es nicht ertragen, abzuwarten, bis alle Haare ausgefallen sind. «Es ist wichtig, dass sich die Betroffenen frühzeitig bei uns melden, am besten dann, wenn sie die eigenen Haare noch haben, damit wir die Perücke so gestalten können wie die eigene Frisur», sagt De Zorzi. Der Wunsch aller sei es, die Frisur zu behalten, die über die Jahre ein Teil der Persönlichkeit geworden ist. «Den heutigen Perücken sieht man es nicht mehr an, dass es Perücken sind», sagt sie und zeigt die maschinell verarbeiteten und die teureren handgeknüpften Modelle mit hautfarbenem Material, das aussieht wie die Kopfhaut. Die meisten Kunden bevorzugen Kunsthaarperücken, da sie pflegeleichter sind: waschen, trocknen, aufsetzen, fertig. Je nach Frisur dauert es zwischen drei und sieben Arbeitstagen, bis eine Perücke angefertigt ist. Kostenpunkt: 900 bis 1800 Franken. «Haare sind ein Schönheitsattribut. Haarlos fühlen sich viele erst so richtig krank, deshalb ist eine Perücke auch ein Schutz», sagt Annemarie De Zorzi.

Im Atelier frisieren und stylen unter anderem Silvia Masetti und Cornelia Preisig die Perücken und Haarteile mit viel Liebe. Preisig bietet auch Coiffeur-Schulungen für Extensions an, die mit einer speziellen Klebebandtechnik im Haar befestigt werden, damit der Traum von langem und dichtem Haar kein Traum bleiben muss. Claudia Rufli verdichtet eine Perücke und näht zusätzliche Tressen ein. Bei vielen werden die Haare im Alter dünner oder fallen stellenweise aus, was sich mit einem Haarteil kaschieren lässt. Doch anders als Annemarie De Zorzi sieht sie nur die Perücken und nicht die Menschen und ihre Schicksale dahinter.

Annemarie De Zorzi setzt der Kundin die Perücke auf und klebt sie mit Klebepunkten an der Kopfhaut fest, damit sie nicht verrutschen kann. «Wenn sich die Kunden im Spiegel anschauen und sich gefallen mit der Zweithaarfrisur, dann freut es auch uns. Eine gesunde Psyche ist ein wichtiger Faktor für die Genesung.»

Rolph AG, Birmensdorferstrasse 253, Zürich, und Petergasse 20, Kloten. www.rolph.ch

 

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Leserkommentare

Wolfgang Eisenhower - Perücken und Zweithaare sind für viele Menschen Alltag. In der Tat fühlen sich viele Menschen, die eine sich einer Chemotherapie unterziehen mussten, haarlos kränker als zuvor. Dafür sollte man sich nicht scheuen, eine Perücke zu tragen! Vielen Dank für
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Vor 7 Jahren 9 Monaten  · 
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