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Reportage

Das «verstärkte» Herzchirurgie-Team des Stadtspitals Triemli (v. l. n. r.): Achim Häussler (Leitender Arzt), Manuela Knuchel (Leiterin Sekretariat und Chefarztsekretärin), Omer Dzemali (Chefarzt), Michal Gruszczynski (Oberarzt), Helen Löblein ­(Oberärztin), Redaktor Sacha Beuth, Laura Rings (Assistenzärztin), Daniele Brugnetti (Assistenzarzt), Charlotte Wichmann (Assistenzärztin), Dragan Odavic (Leitender Arzt) und Vasileios Ntinopoulos (Assistenzarzt). Bild: Nicolas Zonvi

Offene Herzen im Triemli

Von: Sacha Beuth

24. Dezember 2018

Am Tag vor der Operation war der Mann, der Mitte 60 ist und hier Patient Z. genannt wird, ins Stadtspital Triemli gekommen. Seine Herzklappen müssen ersetzt werden. Und zwar zum zweiten Mal. Denn bereits sieben Monate zuvor waren ihm aufgrund einer Bestrahlung gegen Lymphom-Krebs, der die natürlichen Herzklappen beschädigte, künstliche Herzklappen eingesetzt worden. «Die Erholung nach der ersten Operation verlief zwar gut, aber Patient Z. verletzte sich im Verlauf des Heilungsprozesses am Schienbein, was zu einer Infektion führte. Die Bakterien griffen die neuen Herzklappen an, weshalb eine Re-Operation notwendig ist. Ein äusserst seltener Vorfall. Die Wahrscheinlichkeit, dass es dazu kommt, liegt bei ungefähr zwei Prozent», erklärt der Leitende Arzt Achim Häussler (48), der den Eingriff durchführen wird.

Vorerst ist aber Helen Löbleins Einsatz gefragt. Die 52-jährige Internistin hat unter anderem dafür zu sorgen, dass beim Eintritt des Patienten alle nötigen Voruntersuchungen gemacht und die Gespräche über den Ablauf der OP mit dem Patienten geführt werden. Für deren Terminierung ist Manuela Knuchel (26), Chefarztsekretärin und Leiterin des Sekretariats, zuständig. Einen Teil der Voruntersuchungen führt Oberarzt Michal Gruszczynski (42) durch, während Assistenzarzt Daniele Brugnetti (28) den Patienten über den Ablauf der kommenden Operation aufklärt. «Beim Gespräch ging es mehrheitlich um die psychische Befindlichkeit des Patienten, also darum, ihn moralisch zu stärken, da er den ungefähren Ablauf bereits von der vergangenen Operation kennt», erzählt Brugnetti. Löblein nickt zustimmend und ergänzt: «Eine positive Einstellung zur Operation ist sehr wichtig. Ist der Patient entspannt, wirkt sich das auch positiv auf den Eingriff und den anschliessenden Heilungsprozess aus.»

Es folgt die Teamsitzung unter der Leitung von Chefarzt Omer Dzemali (48). Häussler stellt Patient Z. anhand eines Dossiers – welches unter anderem relevante Informationen der Radiologie und Infektiologie enthält – vor. Dann werden gemeinsam Vorgehensweise und mögliche Problematiken erörtert. Im Anschluss bestimmt Omer Dzemali das Operationsteam. Es besteht aus Häussler als leitendem Arzt, Gruszczynski als Oberarzt und der 41-jährigen Charlotte Wichmann als Assistentin. Das Trio wird zudem durch einen Anästhesiearzt, einen Anästhesieassistenten, einen Pflegeanästhesist, einen instrumentierenden OP-Pfleger, einen OP-Springer (eine Person, die sich bei Bedarf zwischen dem sterilen und unsterilen Bereich bewegt) und einen Kardiotechniker unterstützt.

Bereits am frühen Morgen des nächsten Tages wird Patient Z. in den Operationssaal gefahren, wo er eine Vollnarkose erhält. Derweil führt das OP-Team einen Sicherheitscheck durch. Stimmen Name des Patienten, die angedachte Operation, Diagnose und Therapie überein? Sind alle nötigen Materialien und Instrumente vorhanden? «Das gleiche Prinzip, das auch vor dem Start eines Flugzeugs angewendet wird. Das klingt banal, ist aber wichtig – für die Flug- wie auch für die Patientensicherheit», erklärt Dzemali.

Um 8.30 Uhr beginnt die eigentliche Operation am offenen Herzen. Patient Z. wird durch die Anästhesie an die Überwachungsmonitore angeschlossen, und Häussler bringt an Z.s rechter Schulter eine Sicherheitskanülation (Schlauch in Arterie) an. Dann öffnet Häussler den Brustkorb von Z. mit einer sogenannten oszillierenden Säge – einem kleinen, hochmodernen Gerät. Anschliessend legt er mit einer Spezialschere das Herz frei. Durch die zurückliegende OP hat sich das Gewebe um das Organ verdickt und verhärtet. «Wie bei einer Narbe auf der Haut», so Dzemali. Häussler muss das Gewebe entfernen, ohne aber dabei das Herz selbst zu verletzen. Eine Aufgabe, die nicht nur fachmännisches Können, sondern höchste Konzentration erfordert. Wichmann und Gruszczynski begleiten derweil Häusslers Handgriffe, schieben sorgfältig das umliegende Gewebe zur Seite und haben dabei auch immer ein Auge auf die Anzeigen der Instrumente.

«Beim Operieren bin ich so konzentriert, dass ich das Zeitgefühl oft völlig verliere.»

Wegen der starken Gewebeverhärtung dauert dieser OP-Schritt rund zwei Stunden länger als geplant. Dann aber ist das Herz soweit freigelegt, dass die Herzklappen ausgetauscht werden können. Dabei stellt Operateur Häussler fest, dass am Herzskelett, an dem die Herzklappen angenäht werden, das Gewebe nicht mehr vorhanden ist. Aus diesem Grund erfolgt nun eine sogenannte Rekonstruktion des umliegenden Gewebes. Durch eine Lupenbrille mit 4-facher Vergrösserung ist das Sichtfeld von Häussler begrenzt, die Hilfe von Gruszczynski und Wichmann, die den langen Nähfaden führen, entsprechend wichtig. «Hierfür sind grundsätzlich sechs Hände nötig», erklärt Wichmann.

Nach rund sieben Stunden ist es vollbracht. Die neuen Klappen sind eingesetzt, der Brustkorb verschlossen, und Z.s Herz schlägt wieder einwandfrei. Wie lange Häussler für den Eingriff brauchte, hat er gar nicht mitbekommen. «Beim Operieren bin ich so konzentriert, dass ich das Zeitgefühl oft völlig verliere.»

Über das folgende Wochenende wird Patient Z. sorgsam von Assistenzärztin Laura Rings (29) und ihrem Kollegen Vasileios Ntinopoulos (30) betreut. Bei der Visite am Sonntagmorgen findet der Leitende Arzt Dragan Odavic (51) einen gut gelaunten, wenn auch etwas erschöpften Patienten Z. vor. «Er hat mir gesagt, er würde am liebsten den ganzen Tag liegen bleiben. Doch obwohl wir ein offenes Herz für die Anliegen unserer Patienten haben, habe ich ihm im Gegenteil Bewegung verordnet. Die ist für seinen Genesungszustand das Beste.» Bald ist Z. so weit, dass er entlassen und in die von Löblein organisierte Physiotherapie gehen kann. Nicht nur für Z., sondern auch für das Team der Herzchirurgie ein Grund zur Freude. Einmal mehr konnte dank perfekter Vorbereitung und eingespielter Zusammenarbeit ein Patient erfolgreich behandelt werden.

Am Samstag, 26. Januar 2019, feiert das Stadtspital Triemli 30 Jahre Herzchirurgie und lädt zum Tag der offenen Tür ein. Das Programm sorgt bei Gross und Klein für spannende Unterhaltung. Weitere Infos: www.triemli.ch/30-jahre-herzchirurgie

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