mobile Navigation

Kultur

Ruth Widmer inszeniert «E Gwalts-Überraschig» im Kulturmarkt. Bild: PD

Perfide Ohrfeigen

Von: Clarissa Rohrbach

06. Dezember 2016

Das Mannebüro holt ein Stück über häusliche Gewalt nach Zürich. Ruth Widmer von der Theaterfalle Basel spricht über Verletzungen, die oft im Stillen passieren. Und wie wichtig es ist, darüber zu reden.

Ihr Stück heisst «E Gwalts-Überraschig». Was ist die Überraschung?
Ruth Widmer: Es ist die Geschichte einer Frau, die für ihren Mann ein Überraschungsfest gibt, das er gar nicht will. Die Situation spitzt sich zu, das Paar wird laut, bis schliesslich Ohrfeigen fliegen. Allerdings nicht da, wo man es erwartet hätte.

Wollen Sie damit sagen, dass häusliche Gewalt oft verborgen bleibt?
Die Leute reagieren erst, wenn es laut wird. Doch die Gewalt bahnt sich oft im Stillen an. Deswegen ist es wichtig, genau hinzuschauen und schon bei einem Verdacht nachzufragen.

Haben Sie das schon mal gemacht?
Ja. Ich merkte, dass bei meiner Nachbarin etwas nicht stimmte. Ich fragte sie, ob es ihr gut gehe,  und sagte ihr, ich sei jederzeit für sie da. Das hat mich viel Mut gekostet. Später erzählte sie mir, wie wichtig dieser Moment für sie gewesen sei.

Laut Studien erlebt jedes dritte  Kind Gewalt zwischen den Eltern. Trotzdem schaut man weg.
Was in den eigenen vier Wänden passiert, ist privat. Da mischen sich die Leute nicht gerne ein. Das liegt auch an der zurückhaltenden Schweizer Mentalität.

Das Stück ist auch humorvoll. Darf man über Gewalt lachen?
Humor erleichtert und bringt Entspannung. Wer über das Problem lacht, kann danach besser darüber reden.

Und was passiert, wenn das Publikum gelöst ist?
Unsere Schauspieler sind Projektionsflächen. Einige Zuschauer erkennen in ihnen sich selbst.  Manchmal outen sie sich. Es fliessen auch Tränen.

Wie helfen Sie?
Im Publikum sitzen immer auch Fachleute, auf welche die Betroffenen zugehen können. Eine Kontakt vor Ort zu knüpfen, ist leichter, als extra zu einer Anlaufstelle zu gehen. Nicht nur die Opfer suchen Hilfe. Oft sind es auch die Täter, die Unterstützung suchen, um aus der Gewaltspirale auszubrechen.

Sie machen interaktives Theater. Wieso sollen die Zuschauer über die Handlung entscheiden?
In unseren Stücken sagen wir nicht: So ist es. Sondern suchen einen Dialog. Wir fragen die Zuschauer, wie sie die Situation sehen und was sie tun würden. Die Schauspieler machen dann ihre Entscheidungen sichtbar. Die verschiedenen Spielvarianten zeigen, wie das Verhalten eines Einzelnen genügt, damit die Geschichte einen anderen Ausgang nimmt.

Wieso ist es wichtig einzuschreiten?
Wer schlägt, kann oft gar nicht mehr anders. Es ist Unvermögen, aber doch nicht normal. Wenn man das mitbekommt, trägt man die Verantwortung, dagegen etwas zu tun.


«E Gwalts-Überraschig», am Freitag um 20 Uhr im Kulturmarkt.

zurück zu Kultur

Artikel bewerten

Gefällt mir ·  
5.0 von 5

Leserkommentare

Keine Kommentare