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Kultur

Theaterleiter Peter Brunner: «Es waren 20 schöne Jahre, aber auch anstrengende.» Bild: Bernhard Fuchs

Seine letzte Saison

Von: Stine Wetzel

03. Oktober 2017

Das literarische Theater Sogar ist gerade in seine 20. Spielzeit gestartet. Die Jubiläumssaison ist die letzte für Theaterleiter Peter Brunner. Mehr als 40 Bewerber wollten den Posten des Pioniers von der Josefstrasse übernehmen.

Die Kantine ist klein: ein paar Stühle und Tische, ein Tresen, dahinter die Küche. «Der Raum verändert sich mit den Zuschauern», sagt Peter Brunner. Vor 20 Jahren hat er mit ein paar Gleichgesinnten in einem Hinterhof an der Josefstrasse in Zürich das Sogar Theater gegründet. Umgebaut hat er den Raum in all den Jahren kaum, nur eine Wand wurde 1998 eingerissen, 2008 eine neue Decke mit Aufhängungen für Scheinwerfer und Vorhänge montiert und die Licht- und Bühnentechnik erneuert. «Die Kleinräumigkeit macht die Vorführung zum direkten Erlebnis», sagt Brunner. Der Theaterleiter spricht noch immer enthusiastisch von seinem Theater. Doch sein Entschluss steht fest: Nach dieser Saison übergibt der 63-Jährige das Zepter an die Regisseurin Ursina Greuel.

Ihr Name ist seit 1998 mit dem Sogar Theater verwoben. Warum soll sich das jetzt ändern?
Peter Brunner: Es waren 20 schöne Jahre, aber auch anstrengende. Ich will nicht im Sogar Theater sterben wie manche Schauspieler auf der Bühne. Es muss weitergehen, für mich und das Theater. Die Findungskommission, die der Vorstand eingesetzt hat, kümmerte sich um meine Nachfolge.

Zusammen mit Doris Aebi haben Sie das Kleintheater gegründet. Will man da nicht mitbestimmen, was aus dem eigenen Werk wird?
 Mich da herauszuhalten, ist mir nicht leicht gefallen. Aber das Theater hat nur eine Zukunft, wenn es von mir als Person abgelöst wird. Wenn ich in fünf Jahren an der Theaterkasse keine Freikarte bekomme, weil mich keiner mehr kennt, hat es funktioniert.

Warum brauchte Zürich vor 20 Jahren ein literarisches Theater?
Die Theatergründung war eigentlich egoistisch: Das, was mir gefällt, hat in Zürich einfach nicht stattgefunden. Nämlich Literatur auf der Bühne, die nicht extra fürs Theater geschrieben wurde.

Was hat Sie überhaupt zum Theatermann gemacht?
Eigentlich wollte ich Schauspieler werden. Mangels Frechheit und Talent bin ich dann eben Theaterleiter geworden. Einem Masterplan bin ich aber nie gefolgt. Ich habe vieles einfach so gemacht: die KV-Lehre, einen Bürojob, eine Stelle im Antiquariat. In einer Bibliothek habe ich Privatnachlässe aufgearbeitet. Ich dachte, diese historischen Dokumente müsse man zum Reden bringen. Das war die Initialzündung zum literarischen Theater und zur Zusammenarbeit mit Schauspielern.

Was kann die freie Szene, was ein etabliertes Ensemble nicht kann?
Wir sind flexibler, innovativer und können auch mal Formate ausprobieren. Kleintheater liefern immer wieder Ideen, die von den Grossen übernommen werden.

Neben der strukturellen Förderung unterstützt die Stadt zusätzlich freie Theaterproduktionen. Das Sogar Theater geht häufig leer aus. Ärgert Sie das?
Sehr. Obwohl wir erfolgreiches Theater machen, kommen wir für diese Förderung oft nicht infrage. Unsere Formate erfüllen die modischen Beurteilungskriterien meist nicht. Die städtische Theaterkommission bewertet die eingereichten Stücke zu akademisch. Das liegt aber auch an der Zusammensetzung der Kommission: Leider ist da die Zürcher Theaterszene nicht in ihrer Gesamtheit vertreten. Sie beschäftigen sich jetzt das letzte Mal mit der Finanzierung.

Wars das jetzt mit Theater?
Im Gegenteil. Auf mich wartet ein grosses Projekt: Ich will 2019 Kurt Guggenheims grossen Zürich-Roman «Alles in allem» wieder aufleben lassen. Und zwar als zwölfstündige Theaterreise durch die Stadt.

Das Sogar Theater 

Peter Brunner erzählt die Entstehungsgeschichte seines Theaters gerne. Weil sie selbst bühnenreif klingt. Seine Partnerin Doris Aebi kochte in der Kantine an der Josefstrasse. «Sie fragte mich, was ich mir zum Geburtstag wünsche, und ich sagte, ‹ein Theater› – dann bekam ich ein Theater.» Seither sind Monodramen, szenische Lesungen, Erzähltheater und Literaturkonzerte Programm. Gemäss Brunner sind die Vorführungen im Schnitt zu 76 Prozent ausgelastet. Um den Theaterbetrieb zu stemmen, sind rund 600 000 Franken pro Jahr nötig. Zu 60 bis 70 Prozent finanziert sich das Theater selbst. Der Rest addiert sich zusammen: 176 000 Franken Subventionen von der Stadt, 70 000 Franken vom Kanton, dazu kommen Ticketeinnahmen und Gelder vom Förderverein, von Stiftungen und aus dem Mitglieder- und Freundeskreis. Gerade erhielt das Sogar Theater die «Goldene Ehrenmedaille des Regierungsrats». www.sogar.ch

Das «Tagblatt» verlost 2 × 2 Tickets für «Anna Politkowskaja» am 27. Oktober, 20 Uhr, und 2 × 2 Tickets für «Der Welten Untergang» am 10. November, 20 Uhr. Senden Sie uns eine E-Mail mit Namen, Adresse, Telefonnummer und entweder dem Betreff Anna oder dem Betreff Welten an: gewinn@tagblattzuerich.ch

 

 

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