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Patrick Schwarzenbach ist Pfarrer in der Offenen Citykirche St. Jakob.

Advent kommt von Ankommen

Von: Patrick Schwarzenbach

30. November 2021

Der Advent in Zürich ist ein Kommen und Gehen. Die einen kommen für den Glühwein und die Geschenke, die anderen gehen noch schnell in den letzten Laden oder den Massen aus dem Weg. Wir gehen auf Weihnachten zu, heisst es, und manchmal, so sagt man, kommt uns das Licht von Weihnachten entgegen. In dieser schnellen, adventlichen Bewegung bleiben nur wenige sitzen. Sie wärmen die Bänke in den Tramhäuschen oder ruhen sich im trockenen Hauptbahnhof aus.

Den Besten unter diesen Sitzengebliebenen sehe ich immer wieder beim Bellevue oder am Stauffacher. Er trägt einen Bart, schaut die eilenden Menschen aus seinem einen, guten Auge an und bedankt sich zahnlos für jede Münze, jede Gabe und jeden Sack Marroni. Neben ihm steht ein grosses Gebilde, und dieses gleicht, vielleicht liegt es an der Jahreszeit, einem riesigen Weih- nachtsbaum – übervoll mit Stoff- blumen, Kugeln und Sternen, überhäuft mit Gefundenem aus der Stadt. Um diesen Altar stehen Kristalle, Kerzen und Plüschtiere – unter anderem ein Stoffeichhörnchen, das sich an einer Kerze zu wärmen scheint.

Er und sein Gebilde sind von weitem sichtbar. Schwerer zu sehen ist die Atmosphäre, die ihn umgibt. Eine Kraft, die auf geheimnisvolle Weise die Zeit weicher fliessen lässt. Es ist fast so, als hätte dieser Mann seine eigene Gravitation; nur sichtbar, weil die Menschen, welche mit Taschen beladen Weihnachten entgegenlaufen, plötzlich ein bisschen langsamer werden.

Die einen schenken ihm ein Lächeln, andere bestaunen sei- nen Altar und wieder andere versuchen zu verstehen, was er ihnen Unverständliches zurief.Kein grosses Spektakel und doch rückt er, ohne viel zu tun, die Welt ein wenig zurecht.

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