Anne Rüffer ist Verlegerin und Dokumentarfilmerin.

Auf ein Wort mit Präsident Bartlet

Wenn sich Pressesprecherin C. J. Cregg mit Kommunikationschef Toby Ziegler fetzt und Josh Lyman sich die Haare rauft, kann man sicher sein, dass es kurz darauf im «West Wing» zu einer Lektion in Geschichte oder über die Bedeutung von grünen Bohnen für den Ausgang einer Abstimmung kommt. Kein Geringerer als Präsident Jed Bartlet (Martin Sheen) belehrt seinen Stab, und die sich daraufhin entwickelnden Dialoge sind erstklassig. Festzuhalten ist: Die Serie stammt aus dem Jahr 1999! Sie ist langsam erzählt, zeigt vorwiegend diskutierende Menschen, braucht wenig Blut und Gewalt. Legendär der Wortwitz des Schöpfers Aaron Sorkin. Es geht rasant zu und her, während die Akteure in den Gängen im Zentrum der Macht hin und her laufen.

Als Büchermensch mit Leib und Seele scheue ich mich nicht, mit grosser Begeisterung gut erzählte Geschichten als TV-Serie zu verfolgen, sind sie doch die moderne Version des guten, alten Fortsetzungsromans in den europäischen Feuilletons aus den 1830er-Jahren! Und im Grunde zählt doch nur, wie facettenreich eine Figur gestaltet, wie glaubwürdig komplexe Geschehnisse dargestellt, wie gekonnt sich die Protagonisten in ihrem Umfeld bewegen und agieren. Auffallend ist, dass viele der beliebten Serien starke Frauenfiguren ins Zentrum stellen, statt sie lediglich als Ehefrau, Geliebte oder attraktive Stichwortgeberin des Helden zu besetzen. Und so lässt sich vorzüglich und vergnüglich über die Sorgen, Nöte, Lebensstrategien, Höhen und Tiefen von Carrie («Homeland»), Meredith («Grey’s Anatomy»), Hildy («Murder in the First») oder Alicia («The Good Wife») und Kerry («Scandal») sowie Elizabeth («Madam Secretary») diskutieren. Nochmals zu «West Wing»: Vor allem die geschliffenen Dialoge zeigen, wo der Schöpfer der Serie sein Handwerk gelernt hat, nämlich beim Theater. Und wie jedes gute Stück, das zum Klassiker avanciert, kann man auch «West Wing» immer wieder anschauen. Was ich gerade wieder tue.

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