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Album

Sibylle Ambs ist selbständige Texterin und Journalistin.

Go hard, go smart

Von: Sibylle Ambs

23. Februar 2021

Sibylle surft

Du musst mehr entspannen, haben sie gesagt. Du musst dich mehr bewegen, haben sie gesagt. Geh spazieren, spür die Natur. Die neue Langsamkeit und so. Ich bin ja offen für vieles und so probiere ich alles, was mir helfen könnte, ein besserer Mensch zu werden (oder zumindest mal wieder gut zu schlafen).

Ich gehe also spazieren. Häufig. Ich kenne inzwischen meine gesamte Nachbarschaft im näheren und weiteren Umkreis. Und während ich so laufe, fällt mir diese App ein, die ich mir bei meinem letzten New- York-Aufenthalt installiert habe (… vor gefühlten tausend Jahren). Die zählt meine Schritte und macht ein schönes Diagramm am Ende des Tages. Da türmen sich die Säulen inzwischen in ungeahnte Höhen – was mit maximal 5000 Schritten täglich angefangen hat, ist jetzt an schlechteren Tagen im Minimum doppelt, an guten Tagen dreimal so hoch. Und ich finde plötzlich, die lausige Balken-App wird meinem Effort nicht mehr gerecht. Ganz der Techi-Freak, muss ein richtiger Fitness-Tracker, ein sogenannter Smart Assistant, her. Ich bin entzückt, gibt es die inzwischen auch in hübsch. Bestellt – geliefert – installiert. Da wird aus Einfach-Spazieren-Gehen ein wahrer Gesamtkörperanalyse-Event! Herzfrequenz, Stresslevel, Atmung, Stockwerke und ja, klar, Schritte und Kalorien – ich habe alles unter Kontrolle. Der Schritte-Tagesdurchschnitt ist mein neues Damoklesschwert, das tief über meinem Haupt hängt. Das geht so weit, dass ich neulich fast zusammengebrochen bin, als ich zu Fuss von Höngg in mein Atelier im Kreis 5 marschierte und etwa 300 Meter vor dem Ziel gemerkt habe, dass ich meinen Tracker nicht umgelegt habe. Am liebsten wäre ich sofort ins Tram gestiegen für die letzten Meter …

Ob mit dieser «smarten» Kontrolluhr am Handgelenk jetzt Sinn und Zweck des ursprünglich entspannenden Spaziergehens erfüllt ist … ich bin mir nicht sicher. Irgendwie kommt es mir nicht so entspannt vor. Und smart schon gar nicht.

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