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Hoch das Bein!
Von: Karin Unkrig
Venenoperation mit Komplikationen – die Blutergüsse gleichen psychedelischen Mustern, kurze Röcke und Hosen kann Frau vergessen. Längeres Sitzen und Stehen sind tunlichst zu vermeiden. Es sei, man könnte die Beine hochlagern (zumindest bei Ersterem). In München war dies kein Problem, freundlich rückte man im Bus zur Seite, zeigte Verständnis, schob mir im Restaurant einen zweiten Stuhl hin, hob meinen Trolley in den Zug; Gewichte über 15 Kilo zu heben, war ebenfalls tabu.
In der Deutschschweiz ist man es nicht gewöhnt, dass jemand ungeniert die Beine hochlegt. Zuweilen habe ich mir die Krücken meiner Fussoperation vor sieben Jahren hergewünscht: Da konnte ich mich laut ankünden, Sportsfreunde wie Penner nickten verständnisvoll, man machte Platz und liess der Humpelnden Vortritt. Ist ja nur für kurze Zeit . . .
Nun zwänge ich mich in blickdichte Kleider, froh, andere Schuhe als Adiletten tragen zu können. Ich bitte scheu um Rücksichtnahme und registriere mit Erstaunen zürcherisches Augenbrauen-Hochziehen ebenso wie Winterthurer Kopfschütteln, wenn ich aus den Schuhen schlüpfe, eine Unterlage auf den Sitz gegenüber lege und die strapazierten Stützen ausstrecke. Während der Stosszeiten kämpfe ich inzwischen nur noch um einen Sitzplatz und ein paar Zentimeter Beinfreiheit . . . Ich frage mich, wie es Menschen mit chronischen Beschwerden, inneren oder psychischen Verletzungen gehen muss. Solchen, die nicht nach ein paar Wochen abklingen.
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