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Matthias Ackeret ist Journalist und Verleger.

«Nume nid gsprängt»

Von: Matthias Ackeret

03. August 2021

«Die Entdeckung der Langsamkeit» hiess ein Bestseller in den Acht- zigern. Das war Fiktion. Nun – bald vierzig Jahre später – wird er Realität: in Zürich, dank stadträtlichem Beschluss. Sobald Trams und Busse nur noch mit 30 Kilo- metern pro Stunde unterwegs sein dürfen, dominiert im pulsierenden Zürich plötzlich Bernische Behäbigkeit. «Nume nid gsprängt» lautet möglicherweise der neue VBZ-Slogan, die Heimwehberner Tamy Glauser und Marc Jäggi dienen als Honoratioren.

Doch die Durchsetzung dieser stadträtlichen Maxime könnte unser Leben mehr verändern, als wir es bis jetzt wahrhaben. Vergangene Woche fuhr ich frühmorgens mit dem 4er-Tram vom Bellevue Richtung Tiefenbrunnen. Bis zur Haltestelle Höschgasse darf ein Tram 42 km/h fahren, anschliessend sogar 48 km/h. Was bedeutet, dass alleine diese Fahrt künftig über drei Minuten länger dauert. Dies bedeutet eine ganz andere Morgenplanung; vor allem, wenn man von Höngg, Seebach oder Schwamendingen kommt. Die Zürcher Stadtregierung vergisst gerne, dass sogar ein Velofahrer, sobald er im Tram sitzt, zu einem Tramfahrer wird. Und sogar zu einem Autofahrer, sobald er im Quartier nach einem blauen Parkplatz sucht.

Früher war die Geschwindigkeit das stechendste Argument des Zürcher ÖVs: Bereits 1946 kursierte ein Projekt, wonach man mit einer U-Bahn die Strecke zwischen HB und Oerlikon innert zwei Minuten zurücklegen könne. Auf ihrer Homepage lobt die VBZ die Cobratrams für ihre 70 km/h. Als der «Blick» vor drei Jahren lästerte, dass sogar die Berner Trams schneller seien als die zürcherischen, fühlten wir uns in unserer DNA verletzt. «Schneckenpost Züri-Tram», titelte die Boulevardzeitung, verfügte aber – wie sich es jetzt herausstellt – über prophetische Weitsicht. Glücklicherweise gibt es künftig doch noch ein Verkehrsmittel, das alle Autos und Trams überholt: die E-Bikes.

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