Pflege? – Ähm, Ärztin!

Ich weiss, dass Italiener nicht immer nur Pizza und Pasta essen. Ich weiss, dass auch Frauen in die Zwilchhose steigen und sich im Sägemehl messen können. Und ich weiss auch, dass thailändische Massageangebote nicht automatisch Erotik bedeuten. Trotzdem passiert es mir hin und wieder: dass sich ein Stereotyp, ein ganz schlimmes Vorurteil, an meiner Selbstreflexion und aufgeklärten Weltsicht vorbeischlängelt.

Letztens klingelte eine neue Nachbarin an meiner Tür und fragte nach Backpulver. Während ich nach dem Beutelchen in der Schublade suchte, plauderten wir. Sie arbeite Schicht. Ich hatte gerade die Zimtstangen in der Hand: «In der Pflege?» Sie: «Assistenzärztin.» Peinlich. Eine dumme Zuschreibung. Und schockierend, dass der Gleichschritt «(Backende) Frau = Pflegeberuf» offensichtlich als Erwartung tief in mir verankert ist.

Klar: Niemand ist vorurteilsfrei – das ginge gar nicht, weil wir ohne Schubladisierung so mit Reflexion und Einordnung beschäftigt wären, dass wir keinen Schritt weit kämen. Dennoch kam ich mir wie ein moralischer Flegel vor. Ich habe mich entschuldigt, wir beide haben gelacht. Trotzdem geben mir meine unbewussten Erwartungen zu denken. Vielleicht wollte sie mit dem Backpulver ja nicht einmal Kuchen backen, sondern einen verstopften Abfluss reinigen.

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