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Album

Ursina Brun del Re ist Fachpsychologin, Sexologin und Paartherapeutin

Zu spät?

28. April 2020

«Wir hätten früher kommen sollen», sagt er. Zu mir. Oder zu ihr. Oder vielmehr zu sich selbst? Er spricht die Worte eher leise, am Schluss der Sitzung, der Allerersten. Ein bisschen zögerlich, vielleicht sogar ein wenig fragend. Ich höre die Hoffnung, dass es noch nicht zu spät ist. Wie oft muss ich mir in der ersten Paartherapiesitzung die Aussage verkneifen: «Wieso sind Sie nicht früher gekommen?» Natürlich ist es nicht sinnvoll, das laut auszusprechen. Denn: Hauptsache sie kommen überhaupt. Aber wäre es nicht besser, sie würden früher kommen? Wenn noch nicht so viele gegenseitige Verletzungen stattgefunden hätten, welche jetzt gemeinsam mit dem Paar aufgearbeitet werden müssen. Wenn die Streitigkeiten noch nicht derart eskaliert wären. Wenn das Paar noch nicht so tief in ungesunden Mustern gefangen wäre. Wenn sich nicht ein Partner innerlich schon verabschiedet, sich emotional zurückgezogen hätte. Deshalb empfehle ich jedem Paar, präventiv alle drei Monate in eine Paartherapie zu gehen.

Überall tun wir etwas dafür, gesund zu bleiben. Alles wird so gut es geht gepflegt: die Haut, die Haare, die Kinder, die Zähne … Aber weshalb tun wir so wenig für die Beziehungspflege? Natürlich wäre es sinnvoll, wenn Paartherapien von der Krankenkasse mitgetragen würden, genau wie Einzelpsychotherapien. Dass Beziehungen eine grosse Bedeutung für unsere psychische und körperliche Gesundheit haben, wissen wir seit langem. Auch dafür lohnt sich eine Paartherapie – idealerweise schon präventiv, bevor es zu spät ist. Wir können das gerne Paarcoaching nennen. Analog zum Besuch im Fitnessstudio und in der Kletterhalle, welcher nämlich von den Kassen im Sinne von Gesundheitsprävention ebenfalls unterstützt wird.

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