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Gut zu wissen

Beim Fassen der Notration waren auch Fleischbüchsen dabei. Sie wurden mit der Bezeichnung "Gstampfte Jud" ausgeteilt. Bild: Amy Bollag

Amy Bollags Zeitskizzen

Von: Amy Bollag

15. April 2014

Der 90-jährige Zürcher Amy Bollag erinnert sich an eine geschmacklose Notration.

1944: Siebzig Jahre ist es her, wir junge Soldaten kamen frisch aus der Rekrutenschule in den Aktivdienst. Der Zweite Weltkrieg stand noch voll in Brand. Da wir Neulinge waren, wurden wir hart drangenommen. Aber im Vergleich zur RS fühlten wir uns im Paradies. Dies umso mehr, als wir alle wussten, wie unbarmherzig es in den Rekrutenregimentern, die direkt aus in den Aktivdienst übernommen wurden, zugegangen war. Wir mussten als Neulinge mehr Wache stehen, hatten mehr Stalldienst. Wir waren eine berittene Artillerieabteilung und wurden kräftig rumkommandiert. Langsam akzeptierten uns die Alten - und wir wurden Kameraden.

Beim Fassen der Notration waren auch Fleischbüchsen dabei. Sie wurden mit der Bezeichnung «Gstampfte Jud» ausgeteilt. Zuerst glaubte ich, schlecht gehört zu haben. Aber nein, die ziemlich offizielle und makabre Bezeichnung der Büchsen war eine Tatsache. Mir ging ein Licht auf. Die meisten Befehle, militärischen Ausdrücke und auch Lieder stammten eigentlich aus der deutschen Armee.  Der menschenverachtende Übername für das Büchsenfleisch hatte den gleichen Ursprung: Die Armee des Dritten Reiches - und die wussten genau, um was es sich handelte. Die Kameraden berichteten mir, dass diese Fleischbüchsen bei den meisten Einheiten diesen Übernamen trügen. Die Kollegen gaben sich redlich Mühe, diesen grässlichen Ausdruck nicht zu gebrauchen, aber unwohl war mir trotzdem, wenn ich in jedem Brotsack einen gestampften Juden vermuten sollte.   

Video: Sehen Sie hier historische Aufnahmen vom Aktivdienst während des Zweiten Weltkriegs.  

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