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Gut zu wissen

Kaiser Wilhelm II. duldete keine Sozialdemokraten auf seiner Zürichsee-Fahrt. Bild: PD

Der Kaiser und der Heizer

Von: Jan Strobel

09. September 2009

Am 4. September 1912 bestieg der deutsche Kaiser Wilhelm II. den Raddampfer Stadt Zürich. Das freute längst nicht jeden.

Der Heizer Jakob Stampfer aus Horgen stand an jenem Septembertag 1912 im Maschinenraum des Raddampfers Stadt Zürich und wartete in der Gluthitze auf die Befehle von der Brücke. Es war nicht irgendein normaler Tag an Bord, das wusste auch Stampfer. Dieses Mal würde ein ganz besonderer Gast mitfahren - der deutsche Kaiser Wilhelm II. Der Monarch aus Berlin war auf Besuch in der Stadt. Zuvor hatte er sich auf dem Kasernenareal über den Zustand der Zürcher Garnison ein Bild gemacht. Jetzt stand eine abschliessende Abendrundfahrt auf dem Programm.

Mit dem Kaiser, der die Marine zu seiner Passion gemacht hatte und im fernen Berlin gerne über seinen selbst skizzierten Plänen von Kriegsschiffen brütete, bestiegen sein Gefolge und einige handverlesene Gäste die Stadt Zürich. An Bord herrschte eine strenge Kleiderordnung, serviert wurde Tee und deutsches Bier.

Das alles bekam Jakob Stampfer unten im Bauch des Schiffes natürlich kaum mit. Doch das brauchte er auch gar nicht. Er hasste diesen Kaiser, wie überhaupt alles Monarchische. Stampfer war Sozialdemokrat aus tiefster Überzeugung. Dass alle seine Stadt Zürich jetzt das «Kaiserschiff» nannten, machte ihn zusätzlich wütend. Trotzdem wartete er auf den Befehl, die Maschinen laufen zu lassen.

Doch die Brücke schwieg, auch wenige Minuten vor der geplanten Abfahrt. Das hatte seinen Grund: Jakob Stampfer musste zuerst entfernt werden. Seine «kaiserfeindliche Gesinnung» passte nicht ins Bild. Und Kaiser Wilhelm wünschte keine Sozialdemokraten an Bord. Heizer Stampfer wurde diskret ausgewechselt.

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