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Gut zu wissen

Pervertierung der Wissenschaft: Eugenisches «Aufklärungsplakat» aus den 30er Jahren. Bild: PD

"Die neue Zeit erfordert neue Menschen"

Von: Jan Strobel

04. November 2015

Eugenik: Das Gespenst der «Rassenhygiene» fand auch in Zürich einen Nährboden.

«Die Möglichkeit der rassischen Verbesserung einer Nation hängt von deren Fähigkeit ab, die Produktivität des besten Erbgutes zu erhöhen», postulierte 1869 der britische Anthropologe Francis Galton. Dem umtriebigen Wissenschaftler ging es also um eine «gute, menschliche Zucht».  Galton gilt nicht nur als einer der Väter des überaus schwammigen Konstrukts der Intelligenz; er prägte auch den Begriff der Eugenik. So genannt minderwertige Gene und Eigenschaften sollten möglichst ausgeschaltet, die Verbreitung positiv bewerteter Erbanlagen dagegen vergössert werden.

Seit der vorletzten Jahrhundwertwende galt Zürich dabei gewissermassen als das Mekka der Eugenik. Immerhin führten «rassenhygienisch» beseelte Ärzte im Burghölzli die ersten Zwangssterilisationen und Zwangskastrationen in Europa durch. Als «minderwertig» galten dabei nicht nur geistig Behinderte, Schizophrene, manisch Depressive oder Epileptiker, sondern auch Alkoholiker  oder so genannte Hysteriker. Häufig wurde über die Opfer ein Heiratsverbot verhängt. In den 30er-Jahren, als die Nazis die «Rassenhygiene» zu ihrer verbrecherischen Mission erhoben, stiess das Thema auch in breiteren Zürcher Kultur- und Wissenschaftskreisen auf Resonanz.

1937 veranstaltete der Naturheilverein Zürich Vortragsreihen über «die biologische Ordnung im Leben der Volksgemeinschaft». Die Zeit, so der Tenor der Naturverbundenen, erfordere «neue Menschen». Die «Erbverantwortung» sei insbesondere eine «Kulturaufgabe der Frau», die gewissermassen leiblich und sittlich hochwertigen Nachwuchs in die Welt setzen sollte. Noch 1966 warb eine Agentur für «Eheanbahnung» an der Selnaustrasse mit der Aufmerksamkeit, welche sie bei der Vemittlung eines Partners der Eugenik schenke. Das Resultat sei «ein glückliches Familienleben mit gesunden Kindern.»

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