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Gut zu wissen

In der Marktgasse prügelten sich die Zürcher

Von: Clarissa Rohrbach

04. November 2014

Die enge Gasse im Niederdorf hiess früher Fluchgasse. Hier warfen sich Fuhrleute wüste Worte an den Kopf.

«Herrgotts-Chäib! Gopferteli nonemaal!!» Nirgends fluchten die Zürcher so laut wie hier. Die Marktgasse, die vom Niederdorf zum Rathaus führt, war einst die wichtigste Verkehrs­achse der Stadt und dazu auch noch eine der engsten. Der Streit war programmiert. Vor dem heutigen Café Schober befand sich von 1662 bis 1838 Zürichs Poststation. Die Kutschen standen frühmorgens so dicht aneinander, dass Kinder auf ihrem Schulweg unter dem Bauch der Pferde durchschlüpfen mussten. Dann fuhren die Postkutschen los, genau zur gleichen Zeit, als die Fuhrleute mit Karren voller Ge­müse, Hühnern und Eiern in die Stadt angerollt kamen. Der Stau sorgte für rote Köpfe und böse Worte, da ja die Fahrer bekanntlich nicht zu der zartbesaiteten Sorte gehörten. Ein wohl­erzogener Zeitzeuge empört sich in der Zürcher Wochenchronik über die Vulgarität: «An der Marktgass wegen des engen Passes, was vor grausame Schwür und Flüch geschehen, ja fast Gott gelästert wird, dass einem alle Haar gen Berg stehen.»

Und das war noch nicht alles. Auf der Fluch­gasse wurde auch geprügelt. Derselbe Herr beobachtete, dass die Fuhrleute sich den «Geisselstöck» über den Kopf schlagen, so «dass Blut in die Höhe springt und man’s ohne Entsetzen nicht ansehen darf.» Und wenn man diesen Fuhrmännern sage, sie sollten vorsichtiger fahren, dann bekomme man nur wüste Worte als Antwort. Es gab sogar Tote an der Marktgasse, insgesamt 20. Der wohl tragischste Fall: Eine «ehrliche Bürgerfrau ist verkarret worden, elendiglich zugerichtet und zwen Tag hernach im Spital gestorben». Da hatten die Anwohner der Marktgasse genug: 1820 schickten sie der Regierung eine Bittschrift, sie solle doch etwas gegen die unhaltbaren Umstände unternehmen.

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