Gut zu wissen
Langstrasse: An der heutigen Partymeile lagen tote Tiere
Von: Clarissa Rohrbach
Wieso heisst der Kreis 4 «Chräis Chäib»? Ein zufällig aufgeschnappter Satz und die Geschichten dahinter.
Neulich kämpfte eine junge Dame mit ihrem Veloschloss. Sie wurstelte und wurstelte, aber der Schlüssel wollte sich nicht drehen. «De Chäib chlemmt, da isch öppis Chäibs los!» Wenn die Demoiselle die Geschichte des Ausdrucks, der da ihrem Mund entwich, gekannt hätte, wäre sie vielleicht sorgfältiger mit der Kundgebung ihres Frusts umgegangen. Denn das Wort «Chäib» bedeutete im Mittelalter «verwesende Tierleiche». So führt das Schweizerische Idiotikon als Beispiel einen Satz von 1432 auf: «Wem vech von des keiben wegen abgat, der soll es begraben» (wer Vieh wegen des Cheibens verliert, soll es begraben). Beim «Cheiben» handelte es sich nämlich um eine Seuche, die das Rindsvieh befiel. Zuerst schwollen die Ohren und die Augen an, schliesslich verendeten die Tiere und wurden im «Chäibegrabe» entsorgt. Deswegen heisst der Kreis 4 auch «Chräis Chäib»: Hier vergruben Zürcher ihre toten Pferde. Später wurden Verbrecher als «Chaiben» bezeichnet, sie endeten gefangen im «Kaibenturm».
Vom Kriminellen wurde der «Chäib» zu einem groben Kerl, der aber allerdings nicht so verschmäht wird wie der «Siäch», der ebenfalls einer Seuche entstammt. Heute hat das Wort hebräischen Ursprungs («chay’ah»= Lebewesen) auch positive Konnotationen. So nennt man einen Mann oder einen Knaben «liebe Chäib» oder «Luus-Chäib» und wundert sich mit «potz Chäib». Wer auf den Zug «chäibt», hat es pressant, und einem «chäibe schöne Mäitli» möchte man begegnen. Allgemein gilt: «Chäibe» als Adjektiv ist ein Kraftwort, es verstärkt eine Eigenschaft. Die junge Dame mit ihrem Velo kann also froh sein, dass sich die Sprache immer wieder verändert.
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