Gut zu wissen
Mittalterliche Jungfrau sorgt in Zürich für Tugend
Von: Rebecca Sanders
Der einmalige Altarbehang «Hortus conclusus» von 1554 wurde in Zürich hergestellt.
Nur eine Jungfrau kann ein Einhorn einfangen, besagt eine Fabel des mittelalterlichen Tierlehrbuchs «Physiologus». In der christlichen Interpretation erscheint die Jungfrau als Maria und die Berührung des Einhorns als Moment der unbefleckten Empfängnis. Maria befindet sich im geschlossenen Garten, dem «Hortus conclusus». Daneben schreitet der Jäger in Gestalt des Verkündigungsengels Gabriel, an der Leine führt er vier Hunde. Diese versinnbildlichen die christlichen Tugenden Wahrheit, Gerechtigkeit, Friedfertigkeit und Barmherzigkeit. Der Garten und seine Umgebung sind mit einer Vielzahl von Tieren und Symbolen angereichert.
Dieser Wandbehang soll bei der protestantischen Zürcherin, die ihn 1558 erbte, wegen seines katholischen Gehaltes einiges Unbehagen ausgelöst haben. Sie bat deshalb den Reformator Heinrich Bullinger um eine Bilderklärung der Wirkerei, die ihre Schwester Verena Zoller hergestellt hatte. In einem Briefwechsel räumt Bullinger ihre Bedenken aus und betont, dass Andachtsbilder im privaten Raum durchaus der Festigung eines tugendsamen christlichen Lebenswandels beitrügen. Er interpretiert das Thema der Einhornjagd im Hortus conclusus als Symbol für die Menschwerdung Christi und die Erlösung der Menschheit durch seinen Opfertod. Der Hortus conclusus, nie gewaschen oder restauriert, besitzt noch seine ursprüngliche Leuchtkraft, auch das eingewirkte menschliche Haar ist noch sichtbar. Er ist in der Ausstellung «Animali. Tiere und Fabelwesen von der Antike bis zur Neuzeit» bis am 14. Juli neben anderen hochkarätigen Werken im Landesmuseum zu sehen.
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