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Interview

Während GLP-Gemeinderätin Isabel Garcia die Zahl der Zürcher Stadträte auf sieben reduzieren will, setzt sich Markus Kunz, Gemeinderat der Grünen, für den Status quo ein. Bild: Nicolas Zonvi

«7 statt 9»: Zu hohes Risiko oder eine fällige Chance?

Von: Sacha Beuth

11. September 2018

In politischen Sachthemen sind sich Grüne und Grünliberale oft einig. Nicht so jedoch bei der Volksinitia­tive, welche die Stadtratsmitglieder von neun auf sieben reduzieren will und über die am 23. September abgestimmt wird. Im Namen der Grünliberalen befürwortet Gemeinderätin Isabel Garcia (55) die Initiative, welche sie als Chance für mehr Effizienz sieht, während Grünen-Gemeinderat Markus Kunz (58) vor einer Mogelpackung warnt.

Markus Kunz, mit der Initiative 7 statt 9 soll die Verwaltung effizienter werden. Wie können Sie und Ihre Partei da dagegen sein?

Markus Kunz: Wir halten die Initiative für eine gefährliche Mogelpackung, weil sie die Versprechungen bezüglich mehr Effizienz und sogar finanzieller Gewinne nicht einhalten kann. Zumindest nicht, wenn alle bisherigen Aufgaben des Stadtrats weiterhin durch diesen wahrgenommen werden sollen. Eine markante Verbesserung der Effizienz kann nur durch Leistungsabbau erreicht werden. Darum sehen wir nicht ein, warum das Erfolgsmodell Zürich unnötig in Gefahr gebracht werden soll.

Das Modell mit den neun Stadträten hat in der Tat gemeinhin gut funktioniert. Warum soll man es trotzdem ändern, Isabel Garcia?

Isabel Garcia: Uns geht es um die Reform der Verwaltung. So wie die Gesetzeslage ist, ist dies der schnellste Weg. Bei einer Reduktion des Stadtrates muss zwingend die Verwaltung neu organisiert werden (siehe Box unten, die Red.)

Andererseits zeigen diverse Schweizer Grossstädte wie Basel oder Lausanne, dass man gut mit sieben Stadträten auskommen kann. Genf, Bern und St. Gallen haben sogar nur fünf. Wieso braucht Zürich neun?

Kunz: Denkt man diese Logik, je weniger Stadträte, desto effizienter, zu Ende, würde am Schluss sogar ein einziger reichen. Aber ernsthaft: Die Stadträte in den anderen Städten machen oftmals nicht das Gleiche wie ihre Kollegen in Zürich – was sowohl Inhalt als auch die Menge ihrer Arbeit betrifft. Und wenn ich mir die Städterankings anschaue, in denen Zürich fast immer als beste Schweizer Metropole abschneidet, dann machen es die anderen offenbar auch nicht gleich gut.

Garcia: Gerade Bern und Genf zeigen, dass eine Stadt auch gut mit weniger Stadträten auskommen kann. Und so viel schlechter als ­Zürich sind diese in den Rankings auch nicht platziert.

Eine Reduktion des Stadtrates wurde bereits Ende der 80er-Jahre, dann 2000 und 2013 angestrebt. Alle Versuche scheiterten. Warum soll es dieses Mal klappen?

Garcia: Das Thema ist ein Dauerbrenner, das stimmt. Aber dieses Mal wurde eine Reform nicht von Parteien, sondern aus dem Volk heraus initiiert. Das zeigt unserer Meinung nach, dass die Zeit nun reif ist. In den letzten Jahren ist Zürich ­immer mehr gewachsen. Umso wichtiger ist es, die Verwaltung für die Zukunft fit zu machen, Doppelspurigkeiten abzubauen und gewisse Aufgaben zu zentralisieren und nicht wie etwa beim Thema 2000-Watt-Gesellschaft auf drei ­Departemente zu verteilen.

Kunz: Im Unterschied zu früheren Vorlagen hat die Stadtzürcher Bevölkerung wegen dem neuen Gemeindegesetz aber nichts mehr zum Endresultat zu sagen!

Mit sieben statt neun Stadtratsmitgliedern sollen auch finanzielle Einsparungen einhergehen. Wie wird sich dies in konkreten Zahlen auswirken?

Kunz: Das kann niemand sagen. Wir halten es wie gesagt sogar für fraglich, ob auf diese Weise überhaupt Geld gespart werden kann. Oftmals haben derartige strukturelle Änderungen die Folge, dass mehr Stellen geschaffen werden und somit höhere Kosten entstehen. Eine reduzierte Stadtratsstelle muss vielleicht durch ein- oder gar zwei ­zusätzliche Departementssekretärsstellen ersetzt werden.

Garcia: Zumindest kann man mit Sicherheit sagen, dass zwei Stadtratsgehälter wegfallen. Einsparungen stehen für uns aber nicht im Mittelpunkt. Ob und wo genau gespart werden soll, ist am Schluss Aufgabe der Verwaltung. Und wenn sich durch die Reduktion nicht mehr alle Aufgaben bewältigen lassen sollten, dann muss man gewisse Aufgaben eben auslagern oder ganz darauf verzichten. Da gibt es durchaus Potenzial, ohne dass die Allgemeinheit deswegen spürbare Leistungseinbussen hinnehmen muss. Ich denke da an gewisse unnötige PR-Kampagnen.

Sehen auch die Grünen Verbesserungspotenzial?

Kunz: Durchaus. Darum haben wir zusammen mit SP und AL beim Stadtrat im Februar auch ein Postulat für eine Verwaltungsreform eingereicht, welches unter anderem einheitliche Regelungen für interne Dienstleistungen wie Kommunikation oder Fahrzeugbeschaffung vorsieht und das Ziel «Eine Dienstabteilung pro Thema» hat.

Allerdings ist ein Postulat nicht verbindlich ...

Kunz: Eine verbindlichere Form, den Stadtrat dazu zu bringen, sich mit dem Thema zu befassen, war ­leider von Gesetzes wegen nicht möglich.

Stichwort Verbesserungsvorschläge: Hat sich die GLP schon überlegt, wie die Departemente im Falle einer Annahme der Initiative aussehen sollten?

Garcia: Ja. Wir haben bereits im Januar einen konkreten Vorschlag erarbeitet. Demnach liessen sich die Aufgaben auf die Departemente ­Finanzen (heutiges Finanzdepartement plus Bevölkerungsamt und Statistik), Hochbau und Wohnen (heutiges Hochbaudepartement plus Liegenschaftenverwaltung), Sicherheit (heutiges Sicherheitsdepartement plus Gesundheits- und Umweltschutz), Bildung/Sport/Kultur (Heutiges Schul- und Sportdepartement plus Dienstabteilung Kultur), Mobilität und Infrastruktur (heutiges Tiefbau- und Entsorgungsdepartement plus Industrielle Betriebe), Soziales und Gesundheit (heutiges Sozialdepartement plus städtische Gesundheitsdienste, Spitäler, Alters- und Pflegezentren) sowie dem Präsidium (Gesamtführung, Repräsentation, Zukunftsprojekte) aufteilen.

Das sieht doch ganz praktikabel aus, Markus Kunz, oder?

Kunz: Das ist gar nicht der Punkt. Wir sind ja ebenfalls für eine Reform. Nur gibt es eben Dutzende solcher Vorschläge, die aber alle unverbindlich sind. Letztlich kann der Stadtrat machen, was er für gut befindet. Und weil eine solche Neuorganisation nur mit einem Abbau von Leistungen funktioniert, erachten wir dieses Risiko als zu hoch.

Garcia: Wir sehen die Situation weniger als Risiko denn als längst fällige Chance. Natürlich hätten auch wir gerne verbindliche Lösung präsentiert, die mehrheitsfähig gewesen wäre und die auch die Grünen unterstützt hätten (schmunzelt). Zu unserem gegenseitigen Bedauern erlaubt das Gesetz leider in diesem Fall keinen Gegenvorschlag. (Kunz nickt zustimmend, die Red.)

Apropos Risiko. Je weniger Stadtratsposten, desto geringer die Chance für kleine Parteien, einen davon zu ergattern. Schneidet sich die GLP somit nicht ins eigene Fleisch?

Garcia: Das glaube ich nicht. Stadtratswahlen sind Persönlichkeitswahlen. Ginge es vor allem nach der Parteigrösse, wäre wohl Richard Wolff von der AL nie Stadtrat geworden.

Wagen Sie doch zum Abschluss eine Prognose. Wie geht die Abstimmung aus?

Garcia: Eine Prognose zu stellen ist schwierig. Ich denke, dass es knapp werden wird, hoffe aber, dass wir die Bevölkerung von der Notwendigkeit des Anliegens überzeugen können und gewinnen werden.

Kunz: Auch wir sind der Meinung, dass es eng werden wird. Darum setzen wir im Vorfeld alles daran, um die Bevölkerung über die Mogel­packung aufzuklären. Doch selbst wenn die Initiative verworfen werden sollte, dürfen wir uns nicht zurücklehnen, sondern müssen weiter eine Verwaltungsreform anstreben.

 

 

Volksinitiative 7 statt 9 im Überblick

Geht es nach den Initianten der städtischen Volksinitiative 7 statt 9, dann soll am 23. September die Initialzündung für die grösste Verwaltungsreform in der Geschichte der Stadt Zürich erfolgen, vorausgesetzt, die Stimmberechtigten heissen die Vorlage gut. Aus formalen Gründen war es nicht möglich, den Verwaltungsapparat selbst über eine Initiative zu ändern, da gemäss revidiertem Gemeindegesetz dem Stadtrat die alleinige Kompetenz zur Organisation der Departemente und der Verwaltung obliegt. In der Gemeindeordnung, die sich wiederum per Initiative ändern lässt, ist nur die Grösse des Stadtrates festgeschrieben. Die Initianten gehen davon aus, dass eine Reorganisation des Stadtrates zwingend auch eine Reorganisation der Verwaltung nach sich zieht. Mit der Reduktion der Stadtratsmitglieder von neun auf sieben soll unter anderem die Stadtverwaltung effizienter, Departemente zusammengelegt, sollen sich überschneidende Zuständigkeiten reduziert und Entscheidungsprozesse vereinfacht werden. Damit einhergehend erhoffen sich die Initianten zudem finanzielle Einsparungen. Die Reorganisation soll bis Februar 2022 abgeschlossen sein. Der Gesamtstadtrat, SP, Grüne, AL und EVP lehnen die Vorlage ab, FDP, SVP, GLP, CVP und BDP sind dafür.

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