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Interview

Als Liberaler in einer rot-grün dominierten Stadt hofft FDP-Politiker Martin Bürki, dass in der neuen Legislatur weniger verbissen und ideologisch politisiert wird und stattdessen mehr Pragmatismus und Kompromisse möglich sind.Bilder: Nicolas Y. Aebi

Adolf Ogi entfachte das Feuer der Politik in ihm

Von: Isabella Seemann

15. Mai 2018

Das Stadtparlament wählt heute voraussichtlich den Wollishofer Martin Bürki (FDP, 47) zum Gemeinderats­präsidenten. Mit ihm nimmt nach 26 Jahren wieder ein Quartiervereinspräsident auf dem «Bock» Platz.

Als Treffpunkt haben Sie das Ortsmuseum Wollishofen gewählt. Was verbindet Sie mit diesem Quartier?
Martin Bürki: Nach dem Ökonomiestudium an der Universität Bern wollte ich unbedingt auf dem Finanzplatz Zürich arbeiten. In Wollishofen fand ich meine erste Wohnung und fühlte mich sogleich wohl, denn es ist hier ein bisschen wie dort, wo ich aufwuchs, städtisch und ländlich zugleich. Mittlerweile lebe ich seit 20 Jahren in Wollishofen, engagiere mich als Quartierpräsident für seine Bewohner und sage längst «Landiwiese» und nicht mehr «Landimatte».

Sie sind für ein Jahr der höchste Zürcher. Wie klingt das in Ihren Ohren eigentlich als gebürtiger Berner?
Entgegen dem schlechten Image, das die Zürcher haben, wurde ich in Zürich überall mit offenen Armen empfangen. Ich zweifle, ob es umgekehrt möglich wäre, mit einem harten Zürcher Dialekt höchster Berner zu werden. Ich bin extrem dankbar, dass ich die Chance bekomme, den Gemeinderat zu präsidieren, und freue mich sehr auf diese Aufgabe. Übrigens läuft derzeit gerade mein Einbürgerungsgesuch, um Bürger der Stadt Zürich zu werden. Wenn alles klappt, bekomme ich heute nach der Wahl zum Gemeinderatspräsidenten von unserer Stadtpräsidentin Corine Mauch die Einbürgerungsurkunde überreicht. 

In den fünf Jahren seit Sie im Gemeinderat sind, haben Sie erst zwei Vorstösse eingereicht. Mit welchen Mitteln verfolgen Sie Ihre Ziele?
Man hat als Politiker zwei Möglichkeiten: Man reicht ein Postulat ein, beispielsweise für einen neuen Fussgängerstreifen, erscheint damit in der Presse und wartet dann ewig, bis es überprüft und im Parlament zerredet wird. Oder man ruft direkt bei der Verwaltung an, macht die Verantwortlichen auf die Problematik aufmerksam, und bei der nächsten Gelegenheit wird der Fussgängerstreifen umgesetzt. Es freuen sich alle, aber niemand weiss, wer dahintersteht. Ich bin eher der Typ, der im Hintergrund Mehrheiten zu schaffen versucht und schaut, dass Kompromisse zustande kommen.

Welche Entwicklungen in Zürich bereiten Ihnen Sorge?
Wenn man jeden Mittwoch im Ratssaal sitzt, bekommt man zuweilen das Gefühl, die Stadt gehe demnächst unter. Alles wird schlechtgeredet, nichts funktioniert, Misswirtschaft, wohin man schaut. Aber Zürich ist die Stadt mit der weltweit höchsten Lebensqualität. Wir klagen auf sehr hohem Niveau. Da denke ich zuweilen schon, dass ein bisschen mehr Berner Gelassenheit angebracht wäre.

Was hat das Feuer der Politik in Ihnen entfacht?
In meinem Elternhaus war Politik ein wichtiges Thema am Esstisch. Mein Vater Fritz Bürki war Direktor des Bundesamts für Verkehr, als der Grundstein für die Bahn 2000 und die Neue Eisenbahn-Alpentransversale (Neat) gelegt wurde. Politiker und Bundesräte wie Willy Ritschard und Adolf Ogi gingen bei uns ein und aus. Insbesondere Adolf Ogi hat mich mit seiner Art stark geprägt. Er motivierte mich, in die Politik zu gehen. Ogis Credo habe ich mir denn auch zu eigen gemacht: «Man muss Menschen mögen.»

Was treibt Sie an, bei der FDP zu politisieren, obwohl Sie aus einer SVP-Familie stammen?
Ich bin als Student und Mitglied der Association Internationale des Etudiants en Sciences Economiques et Commerciales (AIESEC) sehr viel in der Welt herumgereist, von Rumänien über Botswana bis Sri Lanka, gab Workshops in Finance Management und engagierte mich stets stark für das Thema Verantwortung von Unternehmern. Für mich war klar, wenn man die Welt verändern will, dann muss man in die Politik gehen. Aber als ich 1998 nach Zürich kam, konnte ich als SVP-Ogi-Flügel-Sympathisant mit dem Zürcher Flügel der SVP nichts anfangen. So kam für mich nur die FDP infrage. Sie passt zu mir, weil die FDP in meinen Augen die einzige Partei ist, die anderen Leuten nicht ihre Weltsicht aufzwingen will, sondern danach strebt, Bedingungen zu schaffen, damit jeder Mensch sich selber entwickeln und das Beste aus sich herausholen kann.

Was hat Sie die Tätigkeit des Unternehmers für die Politik gelehrt?
Zwei Dinge: wie man seine Energie und Zeit effizient einsetzt. Und wenn man eine gute Idee hat, dann setzt man sie um. Heute reicht es leider vielen Politikern, zu reden und dann nach Hause zu gehen und sich gut zu fühlen. Wenn man als Politiker glaubwürdig sein will, muss man zuerst mit dem eigenen Beispiel vorangehen.

Das Leben in Zürich droht an Überregulierung, Bürokratie und Bevormundung zu ersticken. Wie bringt man wieder gesunden Menschenverstand in Politik und Verwaltung?
Für ein gedeihliches Zusammenleben braucht es Regeln. Eine Regel kann für 90 Prozent der betroffenen Fälle sinnvoll sein, aber für die anderen zehn Prozent braucht es dann vielleicht eine individuelle Lösung. Ein gutes Beispiel für eine pragmatische Lösung ist das Rote Telefon der Stadt Zürich zur Auflagenbereinigung nach Baurechtsentscheiden. 

Mit welcher Persönlichkeit der Zürcher Geschichte würden Sie gerne über Politik diskutieren? 
Mit Alfred Escher. Er war ein Liberaler, ein Unternehmer, ein unermüdlicher Schaffer und Macher, und er lebte in meinem Wahlkreis. Wenn er eine Idee hatte, dann redete er nicht bloss darüber, sondern er setzte sie um. Ich würde Escher gerne zuhören, welche Ideen er heute für Zürich hätte.

Weitere Informationen:
Heute Mittwoch wird Martin Bürki zur Feier seiner Wahl als Gemeinderatspräsident in Wollishofen empfangen. Die Bevölkerung ist zum Apéro eingeladen von 18 bis 19 Uhr bei der Kirche auf der Egg.

Zur Person:
Martin Bürki, geboren am 30. Dezember 1970 in Bern, zog nach dem Studium der Betriebs- und Volkswirtschaft an der Universität Bern nach Zürich, wo er bei der UBS arbeitete. 2008 gründete er seine eigene Vermögensverwaltungsfirma MartInvestments. Um sich von der Politik zu entspannen, geht er im Sommer jeden Tag im Zürichsee schwimmen, und im Winter spielt er Eishockey als Goalie des HC Campus Veritas. Er lebt mit seiner Frau in Wollishofen.

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