mobile Navigation

Interview

Martin Naville, CEO der Handelskammer Schweiz–USA. Bild: zvg

«Amerikaner lieben uns trotz Bankenzwist»

Von: Sacha Beuth

11. August 2015

Wegen Bankenstreits und Abhörskandalen hat das Verhältnis unseres Landes zu den USA zuletzt stark gelitten. Für Martin Naville (56), CEO der in Zürich angesiedelten Handelskammer Schweiz–USA, trotzdem kein Grund zur Sorge.

Martin Naville, in der Beliebtheitsskala der Schweizer sind die USA in den letzten Jahrzehnten klar nach unten gerutscht. Zu Recht?

Nein. Als Schweizer empfindet man natürlich das Gebaren der Amerikaner im Umgang mit unseren Banken und wegen Abhörtätigkeiten oft als überheblich und als Angriff auf unsere Souveränität. Aber die USA handeln nicht anders als viele andere grosse Nationen auch. Die Attacke der Obama-Administration auf die Bankenwelt ist zwar politisch motiviert und relativ willkürlich, zielt aber nur auf die Institute und nicht auf ein bestimmtes Land. Deswegen verstehen die US-Amerikaner unsere Befindlichkeiten nicht.

Hat sich umgekehrt auch das Bild der Amerikaner über die Schweiz verändert?

Kaum. Die USA sind sehr binnenmarktorientiert. Was ausserhalb ihres Landes passiert, interessiert die meisten nicht. Generell lieben die Amerikaner die Schweiz, besonders die, welche unser Land noch nie besucht haben und es vor allem mit Schokolade, Kuckucksuhren und Heidi assoziieren. Aber auch diejenigen, die schon in der Schweiz waren und sich mit dem Bankenzwist befasst haben, haben ein positives Bild. Sie sagen einfach: «Wir lieben Euch, aber hört auf, unsere Steuerbetrüger zu schützen!»

Wie stark leiden die Handels­beziehungen zwischen den beiden Nationen unter den Diskre­panzen?

Gar nicht. Im Gegenteil. Der Handel zwischen der Schweiz und den USA ist während der letzten drei Jahre um fantastische 30 Prozent gewachsen. Und dies trotz des starken Frankens. Heute exportieren Schweizer Firmen fast so viel in die USA wie nach Frankreich und Italien kumuliert.

Was tut Ihre Organisation, damit dies so bleibt?

Wir konzentrieren uns aufs Geschäft und lassen die Politik so gut wie möglich aussen vor. Unsere Aufgabe ist es, die richtigen Partner zusammenzubringen, sich für Vereinfachungen im Handel und bei Investitionen einzusetzen, das gegenseitige Verständnis zu fördern und bei Schwierigkeiten Lösungen zu suchen.

Wer heute in die USA reist, muss unter anderem Wohnort, ­Verwandtschaftsbeziehungen und Kreditkartendaten angeben. Dazu wird über Esta auch noch eine «Eintrittsgebühr» verlangt. Nicht gerade förderlich für schweizerisch-amerikanischen Kontakte, oder?

Natürlich wäre es mir lieber, wenn es diese Vorschriften nicht gäbe. Ein Riesenproblem ist es dennoch nicht. Das beweisen etwa die Zahlen aus der Tourismusbranche. Seit 2007 ist die Zahl der Schweizer, die in die USA reisen, um 64 Prozent auf fast eine halbe Million im Jahr 2014 gestiegen. Entgegen einzelnen Kommentaren in Leserspalten kann es um die Beliebtheit der USA also nicht so schlecht bestellt sein. Abgesehen davon sind die USA auch nicht die Einzigen, die eine Einreisegebühr und/oder eine Visumspflicht kennen.

Wegen des Bankenstreits fürchten viele Schweizer Bankangestellte, bei einer Einreise in die USA verhaftet zu werden. Wie gross ist diese Gefahr für sie und andere Geschäftsreisende tatsächlich?

Das Risiko ist minim. Wer nicht gegen amerikanisches Recht verstossen hat – etwa indem er amerikanische Bankkunden in den USA besucht und beraten oder als Geschäftsmann massiv ein US-Embargo umgangen hat –, hat nichts zu befürchten.

Zur Person

Martin Naville kam am 6. März 1959 in Zürich zur Welt und wuchs zweisprachig in Genf auf. Nach einem Master der Rechtswissenschaften an der Uni Zürich startete er seine berufliche Laufbahn 1984 als Corporate Banker bei JP Morgan in Zürich und New York und wechselte 1988 zur Boston Consulting Group, wo er sich vom Consultant zum Partner und Direktor hocharbeitete. Seit 2004 ist er CEO der schweizerisch-amerikanischen Handelskammer und VR-Präsident der Zoo Zürich AG.

Sind Sie bei Facebook? Werden Sie Fan von tagblattzuerich.ch

zurück zu Interview

Artikel bewerten

Gefällt mir ·  
5.0 von 5

Leserkommentare

Keine Kommentare