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Interview

Militärnotfallkrankenhaus während der Spanischen Grippe in Kansas (USA). Die Infektionskrankheit forderte zwischen 1918 und 1920 weltweit zwischen 20 bis 50 Millionen Menschenleben. Bild: Wikipedia

Blutgerinnsel sorgen für tödlichen Unterschied

Von: Sacha Beuth

01. Dezember 2020

CORONASTUDIE Die Todesursachen von Covid-19 wurden und werden öfters mit denen der saisonalen Grippe verglichen. Eine neue Studie unter der Leitung von Holger Moch (57), Direktor des Instituts für Pathologie und Molekularpathologie am Universitätsspital Zürich, zeigt jedoch, dass dieser Vergleich trotz vieler Gemeinsamkeiten hinkt. 

Von 1918 bis 1920 sorgte die saisonale Grippe, die damals den Namen «Spanische Grippe» trug, weltweit für 20 bis 50 Millionen Todesopfer. Ein Team von Pathologen des Unispitals hat nun untersucht, inwieweit sich die damalige Pandemie mit der heutigen Corona-Pandemie vergleichen lässt und dabei laut Studienleiter Holger Moch, Direktor des Instituts für Pathologie und Molekularpathologie am Universitätsspital Zürich, einen frappanten Unterschied entdeckt.

Pandemien gab es schon einige. Aber zum Vergleich mit der aktuellen Corona / Covid-19-Pandemie wird meist die «Spanische Grippe» herbeigezogen. Warum?

Holger Moch: Weil es viele Gemeinsamkeiten gibt. In beiden Fällen handelt es sich primär um eine durch einen Virus verursachte Lungenerkrankung. Wie anfangs bei Corona war auch damals bei der Spanischen Grippe der Auslöser beziehungsweise der Erreger jedoch unbekannt. Weiter sind die Symptome wie Husten, Schnupfen, Fieber oder der Verschlechterung des Allgemeinzustandes ab der zweiten Krankheitswoche dieselben. Auch der Hauptübertragungsweg über Aerosole ist der gleiche. Andere Pandemien wie etwa die Pest wurden durch Bakterien verursacht. Aids / HIV und Ebola sind zwar wiederum viralen Ursprungs. Ersteres wird jedoch nur über Körperflüssigkeiten übertragen und Ebola zeigt einen anderen Verlauf mit schnellerer und höherer tödlicher Wirkung.

Nun haben aber Sie und Ihr Forscherteam vom Universitätsspital Zürich festgestellt, das dieser Vergleich trotz der Gemeinsamkeiten hinkt. Was sind denn die entscheidenden Unterschiede?

Auslöser für unsere Studie war herauszufinden, woran genau die Menschen sterben. Und weil immer wieder behauptet wurde, die Todesursachen seien die gleichen wie die, die durch eine Grippe hervorgerufen werden und wir hier in Zürich eine gut aufgearbeitete Dokumentation von Au­topsieberichten von der Spanischen Grippe vorliegen haben, setzten wir hier den Hebel für unsere Studie an. Beim Vergleichen entdeckten wir, dass bei den Autopsien der Personen, die zwischen Mai 1918 und April 1919 im Unispital verstarben, 411 der Spanischen Grippe erlagen. Von Letzteren wies jedoch keine einzige Person grössere Blutgerinnsel auf. Auch starben sie immer an einer Sekundärinfektion, einer bakteriellen Pneumonie. Auffällig ist zudem, dass das Durchschnittsalter der Grippetoten damals bei 28 Jahren lag, während das der Coronatoten gegenwärtig bei über 70 Jahren liegt. Demgegenüber wurden bei den Autopsien, die weltweit von Covid-19-Toten voröffentlicht wurden, bei 36 Prozent der Untersuchten auffällig grosse Blutgerinnsel wie Thrombosen und Embolien festgestellt. Die Gefahr von Blutgerinnseln aber – und das ist die gute Nachricht – kann man reduzieren.

Wie?

Indem man vermehrt Blutverdünner einsetzt, auch in der ersten, milden Phase der Covid-19-Erkrankung. Das wird bereits in klinischen Studien umgesetzt und dafür sind die schon vorhandenen Blutverdünnungsmittel geeignet.

Vor 100 Jahren war die Medizin noch nicht so weit und präzise wie heute. Könnten die damaligen Pathologen Blutgerinnsel nicht übersehen haben?

Wir können nicht ausschliessen, dass Vorerkrankungen, die kleinere Blutgerinnsel auslösen, oder andere Umstände einen Einfluss auf die Todesursache haben. Aber einerseits haben wir uns in der Studie bewusst auf die mit blossem Auge sichtbaren, grossen Blutgerinnsel konzentriert, die man auch damals entdecken konnte. Und andererseits weisen auch die heutigen Grippetoten, bei denen wir eine Autopsie vornehmen konnten, keine grossen Blutgerinnsel auf. 

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