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Interview

Kunsthistoriker Patrick Schoeck: «Dass Männer und Frauen im Seebad Utoquai zusammen baden, war nicht immer selbstverständlich.» Bilder: PD

"Damals plantschte man nicht im See"

Von: Clarissa Rohrbach

30. Juni 2015

Vor 125 Jahren wurde der Badetempel gebaut. Doch die Sitten waren damals ganz anders. Kunsthistoriker Patrick Schoeck erklärts.

Herr Schoeck, planschten die Zürcher auch 1890 schon im Seebad Utoquai?
Nein. Das Plantschen, wie wir es heute in den Stranbädern kennen, gab es 1890 nicht. Das Utoquai wurde als Ort für Hygiene gebaut. Damals gab es in den meisten Häusern auch keine Badezimmer.

Wann wurde das Baden salonfähig?
Mit der Lebensreform Anfang des 20. Jahrhunderts entdeckte man, dass Baden gesund ist. Das löste einen Bäderboom aus – besonders im gesellschaftlich liberalen Zürich. Nirgendwo in der Schweiz gibt es derart viele historische Bäder wie hier.

Wieso waren denn in Zürich Badis so beliebt?

Die Stadt wollte ihren Arbeitern und Angestellten die Möglichkeit zur sportlichen Ertüchtigung und zur gesunden Körperhygiene bieten. Schon damals war die Stadt grosszügig mit der Bereitstellung von öffentliche Infrastrukturen.


Die Eingänge für Frauen und Männer waren strikt getrennt. War man damals so prüde?
Absolut. Dicke Bretterwände verhinderten jede Durchsicht zwischen Männer- und Frauenabteilung. Nur schon der Gedanke, etwas vom anderen Geschlecht sehen zu können, galt als obszön.

Dass Frauen im See baden, war für die Konservativen ein Skandal. Gab es gehässige Reaktionen auf die Badi?
Es wurde gestritten, ob Frauen überhaupt in den See dürfen. Es sei anstössig. Und überhaupt passe Sport nicht zu Frauen. Trotzdem begann man nach dem 1. Weltkrieg im Utoquai, miteinander im See zu schwimmen.

Wie war die Bademode damals?
Um 1900 trug man Baumwollkleider, die fast aussehen wie Pyjamas. Sportliches Schwimmen war damit kaum möglich. Nach dem ersten Weltkrieg wurden die Kleider kürzer und enger. Man zeigte mehr Bein – und konnte sich im Wasser endlich richtig bewegen.


Was machte man in der Badi sonst noch neben schwimmen?
Das Sonnendeck wurde zwar schon 1908 ausgebaut. Damit wurde Sünnelen und Schwimmen am gleichen Ort möglich. Der Kiosk entstand aber erst  1947 – davor wurde nicht konsumiert. Action sucht man dort heute noch vergeblich. Diese Qualität als ruhige Inseln in der Stadt ist prägend.

Das Bad wirkt heute noch stattlich. Wieso entwarf der Architekt William Henri Martin einen so schönen Bau?
Das Bad war für die Stadt ein Statussymbol. Man war stolz darauf, dass man sich um die Gesundheit der Bürger kümmerte.

Die Badeanlage Utoquai wurde 1890 als Ersatz für die Riesbachbadi gebaut. Das Sportamt der Stadt Zürich feiert das 125-Jahr-Jubiläum mit verschiedenen Veranstaltungen. Neben einer dauerhaften Fotoausstellung im Juli und August, finden Lesungen und Gespräche unter anderen mit Dieter Meier und Stefan Zweifel statt. Infos auf: stadt-zuerich.ch

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