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Interview

Omer Dzemali: «Am effizientesten lässt sich sparen, wenn die Qualität unserer Arbeit stimmt.» Bild: Nicolas Zonvi

Den Weg wählen, der für den Patienten der beste ist

Von: Sacha Beuth

31. Dezember 2018

Am 26. Januar feiert das Stadtspital Triemli das 30-Jahr-Jubiläum seiner Herzchirurgie mit einem Tag der offenen Tür. Deren Leiter Omer Dzemali legt nicht nur grossen Wert auf Teamarbeit und standardisierte Abläufe, sondern nimmt täglich auch immer wieder selber die OP-Instrumente in die Hand.

Das Triemli bereitet sich auf das 30-Jahr-Jubiläum seiner Herzchirurgie vor. Angesichts des Umstandes, dass bereits vor über 50 Jahren erstmals eine Herztransplantation durchgeführt wurde, scheint dies keine lange Zeit zu sein.

Omer Dzemali: Die Herzchirurgie ist tatsächlich eine sehr junge Disziplin. Der Standort Zürich spielte allerdings bereits zu Beginn eine zentrale Rolle. So hat Ake Senning, der ab Anfang der 60er-Jahre Professor am Universitätsspital war, die Entwicklung der Herz-Lungen-Maschine und der Herzschrittmacher weltweit massgeblich beeinflusst. Aufgrund des hohen Bedarfs und der langen Wartezeiten wurde später in den 80er-Jahren im Triemli ein zweites Standbein der öffentlichen Herzchirurgie des Kantons Zürich gegründet.

Am 26. Januar ist die Bevölkerung zu einem Tag der offenen Tür in die Herzchirurgie eingeladen. Was darf diese erwarten, und was bezwecken Sie mit dem Anlass?

Die Besucher erhalten an diesem Tag einen verständlichen und authentischen Einblick in die Herzmedizin – das kann eine präventive Wirkung haben. Ausserdem ist es auch für uns vom Triemli ein schöner Anlass: Wir setzen uns täglich mit viel Engagement für die Gesundheit der Patientinnen und Patienten ein. Darauf sind wir stolz. Am Tag der offenen Tür dürfen wir unsere Arbeit einem breiten Publikum präsentieren.

Warum sind Sie Herzchirurg geworden?

Es gab für mich zwei Beweggründe. Einerseits hatte fast jeder in meiner Familie eine akademische Ausbildung genossen. Meine Eltern waren Lehrer, mein Onkel Biologe. Von ihm stammt auch der Spruch: «Selbst die Mäuse, die durch unser Haus wuseln, brauchen ein Diplom.» Andererseits war meine Grossmutter schwer herzkrank und starb, als ich 9 Jahre alt war. Das war ein prägendes Erlebnis und erweckte in mir den Wunsch, eines Tages anderen Menschen zu helfen – wenn ich schon bei meiner Grossmutter nichts unternehmen konnte. Und ausserdem sagte mir bereits von Kindesalter an das manuelle Arbeiten zu. Deshalb entschied ich mich nach dem Medizinstudium für die Fachrichtung Herzchirurgie.

Als Arzt ist man oft mit dem Tod konfrontiert. Ist das nicht eine enorme Belastung?

Todesfälle gehen mir immer sehr nahe. Besonders wenn ich die Familie des Verstorbenen informieren muss. Man lernt aber, damit umzugehen. Und der Austausch mit dem Team kann bei der Verarbeitung helfen.

Seit 2009 wirken Sie am Triemli, erst als Leitender Arzt, seit September diesen Jahres als Chefarzt. Welche Veränderungen haben Sie in dieser Zeit bewirken können?

Zu den bereits üblichen Bypassoperationen am schlagenden Herzen – ohne Einsatz der Herz-Lungen-Maschine – konnten wir im Team Operationen mit der sogenannten Schlüssellochtechnik einführen und etablieren. Dies hinterlässt eine viel kleinere Narbe. Zudem haben wir mit unseren Kolleginnen und Kollegen der Kardiologie gemeinsame Behandlungen eingeführt. Wir vertiefen die interdisziplinäre Zusammenarbeit. Zentral dabei ist, dass wir immer den Weg wählen, der für den Patienten der beste ist. Das kann auch bedeuten, dass ich als Herzchirurg die Behandlung einem anderen Facharzt über­gebe.

Wie wichtig sind einheitliche Standards?

Sie sind enorm wichtig. Nehmen wir ein Beispiel aus der Fliegerei. Geht man immer nach der gleichen Checkliste vor, ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Pilot vergisst, vor der Landung des Flugzeugs das Fahrwerk auszufahren, viel geringer. Sprich: Die Fehlerquote wird deutlich gesenkt. Und wenn während einer Herzoperation der ausführende Arzt plötzlich nicht mehr in der Lage ist, weiter zu operieren, kann einer der Kollegen sofort einspringen. Weil er genau weiss, welche Schritte wann zu erfolgen haben.

Ihr Aufgabengebiet umfasst sehr viele Bereiche: Patienten, Forschung, Klinikführung. Wie bringen Sie all diese Aufgaben unter einen Hut?

Möglich ist das nur dadurch, dass ich ein so gutes und eingespieltes Team habe. Ohne Teamwork läuft in der Herzchirurgie nichts.

Wie stellen Sie sicher, dass in der finanziell lukrativen Herzchirurgie nicht ein Spital gegenüber dem anderen bevorzugt wird?

Das wird grösstenteils durch den kantonalen Leistungsauftrag geregelt. Auch werden uns die Patienten aus unterschiedlichen Gebieten zugewiesen. Wir sehen uns gegenseitig darum mehr als Ergänzung denn als Konkurrenz. Mit ein Grund übrigens, warum die Allianz Herzchirurgie ins Leben gerufen wurde (siehe Box unten).

Kürzlich wurde publik, dass die Sterblichkeitsrate der Herzchirurgiepatienten am Unispital und am Triemli deutlich höher ist als etwa in der Ukraine. Hinken wir diesen Ländern hinterher?

Der zentrale Punkt bei diesem Thema ist, dass man Äpfel nicht mit Birnen vergleichen sollte. Die Erhebung der Daten muss identisch sein, damit ein Vergleich überhaupt möglich ist. Deshalb können wir nur für unsere eigenen Daten sprechen. Wir erheben unsere Qualitätszahlen regelmässig und analysieren sie sorgfältig. Dadurch haben wir festgestellt, dass wir viele Patienten behandeln, die bereits in kritischem Zustand zu uns kommen. Zudem lassen wir unsere Qualität durch externe Gutachter beurteilen, so auch die von Ihnen angesprochenen, kürzlich publik gewordenen Resultate.

Bemängelt wurde auch, es würde in der Schweiz zu viel geforscht, und die Praxis käme zu kurz. Könnte die Einführung von Mindestfallzahlen helfen, die Sterblichkeitsrate zu senken?

Das Erreichen der Mindestfallzahlen pro Operateur ist in unserer Klinik im Triemli kein Problem. Auch Forschung ist wichtig, in jedem Fachgebiet. Die gemeinsame Forschung ist übrigens auch ein Auftrag der Allianz Herzchirurgie Zürich.

Kommen Sie bei all Ihrer Arbeit überhaupt noch selbst zum Operieren?

Ja. Ich mache auch alle Dienste, die ein Arzt zu erfüllen hat. Müsste ich schätzen, würde ich sagen, das Verhältnis von klinischer zu administrativer Arbeit liegt bei mir bei 70 zu 30 Prozent. Zu Ersterer gehört übrigens auch, mit den Patienten und den Angehörigen zu sprechen. Zudem sind tägliche Teamsitzungen Bestandteil meiner Arbeit.

Medizinische Eingriffe werden immer teurer, die Krankenkassenprämien steigen immer mehr. Wo könnte man bei der Herzchirurgie diesen Umstand verbessern?

Das A und O ist hier die Qualität der Arbeit. Wenn diese stimmt, kann der Patient schneller entlassen werden, und – ganz wichtig – das Komplikationsrisiko wird minimiert. Obwohl ich mit gutem Gewissen sagen kann, dass wir im Triemli eine sehr gute Herzchirurgie anbieten, gibt es immer Luft nach oben.

Weitere Informationen: Das Stadtspital Triemli feiert am Samstag, 26. Januar 2019, «30 Jahre Herzchirurgie» und lädt zum Tag der offenen Tür ein. Testen Sie Ihre chirurgischen Fähigkeiten, verfolgen Sie eine Herz-OP, lernen Sie das Innere eines Ambulanzwagens kennen, und erkunden Sie das begehbare Herz. Ein abwechslungsreiches Programm sorgt bei Gross und Klein für spannende Unterhaltung. Detailliertes Programm: www.triemli.ch/30-jahre-herzchirurgie

Zur Person

Omer Dzemali kam am 4. Juli 1970 in Tetovo (damals Jugoslawien, heute Mazedonien) zur Welt. Er begann 1990 in Sarajevo Medizin zu studieren, musste aber wegen des Bosnienkrieges nach Deutschland fliehen, wo er 2000 sein Studium an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz abschloss und noch im selben Jahr promovierte. Im Anschluss arbeitete er erst als Assistenz-, dann als Fach- und Oberarzt an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt. Ende 2009 wechselte er als Chefarzt-Stellvertreter der Herzchirurgie ins Triemli. Dzemali ist verheiratet und Vater zweier Kinder..

Die Allianz Herzchirurgie Zürich

Im Jahr 2015 schufen die Klinik für Herz- und Gefässchirurgie am Universitätsspital Zürich (USZ) und die Klinik für Herzchirurgie am Stadtspital Triemli (STZ) die «Allianz Herzchirurgie Zürich», den grössten öffentlichen Herzchirurgieverbund der Schweiz. Unter Wahrung der Eigenständigkeit koordinieren die Kliniken ihre herzchirurgischen Angebote zur Steigerung von Behandlungsqualität und Effizienz. Von dieser strategischen Kooperation profitieren insbesondere die Patientinnen und Patienten.

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