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Interview

«Wenn man nicht weiterweiss, kann es helfen, eine Münze zu werfen – nicht weil einem die Entscheidung abgenommen wird, sondern weil der Wurf selber die eigene Präferenz bewusst machen kann», so Daniel Hausmann. Bild: Clipdealer

Der Meister der Entscheidungen

Von: Stine Wetzel

04. September 2018

Den Job kündigen? Das Tram nehmen? Erdbeerjoghurt kaufen? Entscheidungsforscher Daniel Hausmann von der Universität Zürich erklärt, warum es wichtig ist, auch auf den Bauch zu hören.

Wann ist Ihnen das letzte Mal eine Entscheidungsfindung schwergefallen?

Daniel Hausmann: Das ist schon lange her: Vielleicht als es darum ging, ein Haus zu kaufen.

Kann ein Entscheidungsforscher besser Entscheidungen treffen als andere?

Ich hoffe es zumindest. Bevor ich anfing, zum Thema zu forschen, hatte ich Mühe damit. Ich wälzte Probleme, statt rasch und frei zu entscheiden.

Woran haperte es?

Ich wusste nicht genau, was ich wirklich wollte, und der Anspruch, eine gute Entscheidung zu fällen, setzte mich unter Druck.

Warum fällt es manchen leichter, eine Wahl zu treffen?

Das hängt von den Erfahrungen ab – je mehr man hat, desto gelassener kann man an die Entscheidungsfindung herantreten. Aber auch die Situation ist wichtig, ist sie ungewiss oder sicher, besteht Zeitdruck, handelt es sich um einen umkehrbaren Entscheid, mit welchen Erwartungen ist man konfrontiert. Und natürlich hat die Persönlichkeit einen Einfluss: Ist die Person risikofreudig, oder hat sie Vermeidungstendenzen? Es gibt verschiedene Entscheidungstypen. Nehmen wir beispielsweise den Maximierer: Beim Kauf eines Fernsehers sammelt er so viele Informationen wie möglich; sein Ziel ist der beste Fernseher, alles andere wäre eine Enttäuschung. Daneben haben wir den Satisficer, für den der erstbeste Fernseher gut genug ist und seinen Bedürfnissen entspricht.

Oft geht es nicht um simple Kauf-, sondern um Lebensentscheide: Soll ich einen neuen Job suchen, Kinder kriegen, in eine andere Stadt ziehen? Was hilft bei diesen Fragen?

Sich Zeit für den Entscheidungsprozess zu nehmen. Dazu gehört, sich Informationen einzuholen, darüber zu sprechen, sich aber auch zurückzuziehen und sich zu fragen, was die Möglichkeiten in einem auslösen und ob es Alternativen gibt. Manchmal hilft es schon, zu wissen, was man nicht will.

Ist es eine gute Idee, auf den Bauch zu hören?

Auf den Bauch u n d auf den Kopf! Man kann sich rational Überlegungen anstellen, sich parallel dazu aber von der Intuition, seinem Unbewussten, leiten lassen.

Nicht immer ergänzen sich Kopf und Bauch so mustergültig.

Wenn man sich den Kopf zerbricht, hilft es oft, darüber zu schlafen. Am Morgen hat man vielleicht ein bestimmtes Bauchgefühl: Ist es ein ungutes Gefühl, ein Alarmgefühl, dann sollte man seine Entscheidung überdenken. Ist es ein Bestätigungsgefühl, dann passt der Entscheid.

Kann man etwas tun, um entscheidungsfreudiger zu werden?

Den Mut entwickeln, Entscheide auszuprobieren. Beobachten Sie mal in einer Situation, in der es nicht um viel geht, wie Sie auf Ihre Entscheide reagieren. Etwa beim Anstehen an der Kasse: Bleiben Sie gelassen, wenn die andere Schlange schneller abnimmt? Wechseln Sie? Und entscheiden Sie auch einmal genau anders als sonst? Oder wie ist es für Sie, wenn Ihnen gesagt wird, was Sie tun sollen? Gehen Sie in den Widerstand? Manchmal weiss man genau in dem Moment, in dem man eine Münze wirft, welche der beiden vorliegenden Möglichkeiten für einen stimmt, weil der Wurf selber die eigene Präferenz bewusst machen kann.

Daniel Hausmann-Thürig ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Psychologischen Institut der Universität Zürich. Sein Arbeitsfeld ist die Angewandte Entscheidungsforschung, mit medizin- und gesundheitspsychologischem Schwerpunkt. Hausmann hält im Rahmen der vierteiligen Ringvorlesung «Die Macht des Unbewussten» der Volkshochschule Zürich ein Referat über die Intuition als implizites Erfahrungswissen und darüber, wie Bauchentscheide funktionieren. 

Die Ringvorlesung findet jeweils von 19.30 bis 20.45 Uhr im Uni-Zürich-Zentrum an der Rämistrasse 71, Raum KO2-F-180, statt. 

• 12. September: Brigitte Boothe, «Die Lehre vom Unbewussten»

• 19. September: Hans Menning, «Flow – zwischen unbewusst und bewusst»

• 26. September: Daniel Hausmann, «Intuition–unbewusste Bauchentscheide»

• 3. Oktober: Lutz Jäncke, «Das unbewusste Gehirn» 

www.vhszh.ch

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