mobile Navigation

Interview

«Chirurgen tragen stundenlang Masken und leiden nicht unter zu viel CO2»: Gerhard Eich, Leiter Infektiologie, Spitalhygiene und Arbeitsmedizin Stadtspital Waid und Triemli. Bild: PD

«Der Schutz ist bei weitem grösser als allfällige Risiken»

Von: Sacha Beuth

08. Oktober 2020

Viele nerven sich, wenn sie zum Schutz vor Corona Masken tragen müssen. Zudem finden sich auf Social Media Aussagen, dass das Tragen von Masken mehr schade als nütze. Gerhard Eich, Leiter Infektiologie, Spitalhygiene und Arbeitsmedizin Stadtspital Waid und Triemli, entlarvt die meisten davon als falsch oder Halbwahrheiten. 

Der Bund spielte am Anfang der Coronakrise die Wichtigkeit des Maskentragens herunter. Inzwischen folgte eine 180-Grad-Wende. Nun sind die Leute verunsichert. Warum hat das Stadtspital Triemli und Waid seinerzeit nicht die Bundesbehörden öffentlich korrigiert?

Gerhard Eich: In den Spitälern wurden Masken zum Schutz von Personen schon früher verwendet und dies wird auch in Zukunft so sein. Die Schutzwirkung von Masken steht und stand nie zur Diskussion. Im Frühjahr aber waren wir alle – nicht nur in der Schweiz – in einer ausserordentlichen Situation: Weltweit wurden Masken gebraucht. Diese waren schwer erhältlich. In vielen Spitälern gab es zahlreiche Covid-Patientinnen und Patienten, sowie viele Pflegende und Ärzte, welche diese behandelten und betreuten. Diese Personen haben sich täglich einer potenziell tödlichen Infektion ausgesetzt. In Italien sind über 100 Ärzte im Frühjahr an Covid gestorben. Diese Pflegenden und Ärzte galt es bei der Arbeit zu schützen und ihnen Schutzmaterial zur Verfügung zu stellen. Aus diesem Grund hat keine 180-Grad-Wende stattgefunden sondern man hat die verfügbaren Masken beim medizinischen Personal eingesetzt, die mit bestätigt positiven Covid-Patientinnen und Patienten arbeiteten.

Auf Social Media erscheinen immer wieder Berichte, die nicht nur den Nutzen des Maskentragens bezweifeln, sondern darin sogar eine gesundheitliche Gefahr sehen. So könne es – basierend auf einem Video eines Feuerwehrmanns aus Pennsylvania – zur Unterversorgung mit Sauerstoff kommen.

Im Gegensatz zu solchen Berichten sei gesagt, dass Chirurgen, die je nach Operation auch schwere körperliche Arbeit verrichten und über mehrere Stunden höchste Konzentration und Präzision aufbringen, stundenlang Masken tragen und dies seit Jahrzehnten. Dass sie unter Sauerstoffmangel leiden würden, vermutet wohl auch niemand.

Eine Doktorarbeit aus dem Jahr 2005 belegt, dass der CO2-Gehalt unter chirurgischen OP-Masken erhöht ist und auch den CO2-Gehalt im Blut erhöht. Ist das nicht gefährlich?

Es handelt sich hier um eine technische Messung ohne jede praktische Bedeutung. Nach der Ausatmung bleibt ein Teil der ausgeatmeten Luft unter der Maske liegen. Diese Luft enthält (da es Ausatmungsluft ist) etwas mehr CO2 als die normale Raumluft. Es sind aber dennoch nur etwa 4% der Luft. Zudem ist das Volumen dieser unter der Maske liegengebliebenen Luft sehr klein – viel kleiner als der nächste Atemzug. Es wird also eine ganz geringe Menge CO2 zusätzlich wieder eingeatmet – doch dies ist so wenig, dass es in keiner Weise eine Gefahr darstellt. Auch hier sei darauf verwiesen, dass die Chirurgen immer schon mit solchen Masken über Stunden gearbeitet haben und noch nie unter zu viel CO2 gelitten haben.

Wenn sich Bakterien und Viren auf der Vorderseite der Maske ansammeln, besteht nicht die Gefahr, dass wir beim An- und Abziehen der Maske (oder aufgesetzt, aber unter dem Kinn tragend) eine regelrechten Krankheitskeim-Cocktail einatmen?

Die Funktion der Masken ist es, Tröpfchen in der Aus- und Einatmungsluft, die Bakterien oder Viren enthalten können, aufzufangen. Die Masken können einiges Auffangen und es ist keinesfalls so, dass der geringste Fehler im Umgang mit Masken eine Gesundheitsgefährdung darstellt. Dennoch sollten gewisse Regeln beachtet werden. Zum Beispiel sollte man nach dem Manipulieren an der Maske die Hände waschen oder desinfizieren. Masken sollten auch regelmässig gewechselt werden, auf jeden Fall, wenn sie feucht sind. Der Schutz, den die Masken vermitteln, ist jedoch bei weitem grösser, als allfällige Risiken, die von ihnen ausgehen.

Sind die infektösen Tröpfchen bzw. Viren per se nicht so fein, dass Sie trotz Maske tragen durch die Maske in den Mund-Nase-Bereich gelangen können?

Bakterien und Viren fliegen nicht «nackt» durch die Luft, sie sind in einem Flüssigkeits-Tröpfchen verpackt. Diese Tröpfchen sind in der Regel so gross, dass sie von einer normalen chirurgischen Maske aufgefangen werden. Unter besonderen Umstanden – die vor allem in medizinischen Situationen, allenfalls aber auch beim Singen auftreten können – entstehen jedoch kleine Tröpfchen. Um diese aufzufangen braucht es besondere Masken. Dies ist jedoch im täglichen Leben nicht von Bedeutung. Zudem sind diese besonderen Masken weniger komfortabel beim Tragen und wesentlich teurer.

Was nützt ein Mund-Nase-Schutz, wenn die Viren auch über die Augen in den Körper gelangen können?

Der wichtigste Weg der Übertragung erfolgt über Tröpfchen. Wenn dieser Weg durch Masken blockiert wird, so wird die überwiegende Zahl der Infektionen verhindert. Dies ist wichtig, damit die Zahl der Neuinfektionen in der Bevölkerung wieder zurückgeht. Übertragungen über die Augen sind so selten, dass sie hier keine Bedeutung haben.

Was ist Ihre Meinung zum Thema? echo@tagblattzuerich.ch

zurück zu Interview

Artikel bewerten

Gefällt mir 6 ·  
4.5 von 5

Leserkommentare

Keine Kommentare