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Interview

«Die Familie ist bei den Jungen wieder in»

Von: Andy Fischer

12. November 2013

Immer mehr sehr junge Eltern suchen Rat bei der Stiftung Mütterhilfe in Zürich. Sozialberaterin Yanik-Anne Gilliéron über die Gründe für diesen Trend und über die Art der Stiftung.

Tagblatt der Stadt Zürich: Die Stiftung Mütterhilfe existiert bereits seit über 80  Jahren. Welche Existenzberechtigung hat sie heute, wo es Sozialämter und Schwangerschaftsurlaub gibt?

Gilliéron: Das Elternwerden ist heute ja alles andere als einfacher als in der damaligen Zeit. Oft leben die werdenden Mütter und Väter weit weg von ihren Eltern, die ihnen in dieser Situation zur Seite stehen könnten. Unsere Angebote ergänzen die öffentlichen Ämter, und wir arbeiten eng mit diesen zusammen. Immer wieder werden uns Mütter und Familien zugewiesen. Junge Familien und alleinstehende Mütter gehören in der Schweiz noch immer zu den finanziell Schwächsten, und es ist wichtig, diesen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.

Wem helfen Sie?

Gilliéron: Jahr für Jahr rund 500 Familien und alleingelassenen schwangeren Frauen und Müttern, die sich in einer sozialen oder psychischen Not­lage befinden. Hinzu kommen rund 300 anonyme Onlineanfragen sowie 1200 Besuche unserer Gratis-Kinderkleiderbörse.

Ihre Vision ist, dass jedes Kind in einem Umfeld aufwächst, das die Entwicklung einer guten und sicheren Eltern-Kind-Beziehung ermöglicht. Was verstehen Sie darunter?

Gilliéron: Dass sich beide, Eltern und Kinder, altersgerecht entwickeln können. Wir tragen dazu bei, dass Eltern nicht einem riesigen Stress ausgesetzt sind und so genügend Zeit haben für ihre Kinder. Eine positive Eltern-Kind-Beziehung ist für die Entwicklung eines Kindes gerade in den ersten drei Lebensjahren enorm wichtig.

Welche Bevölkerungsgruppen suchen Hilfe bei Ihnen?

Gilliéron: Wir helfen allen, ist ja klar. Aber in letzter Zeit stellen wir fest, dass immer mehr junge Menschen im Alter zwischen 18 und 25 Jahren bei uns anklopfen. Interessant und sehr erfreulich ist, dass die werdenden Mütter immer öfter von ihren Partnern begleitet werden. Das war früher anders.

Worauf schliessen Sie das zurück?

Gilliéron: Die Familie ist offensichtlich wieder in. Die meisten unserer jungen Klienten wollen das Kind ganz bewusst, und sie wollen sich gut vorbereiten. Sie sind sich ihrer grossen Verantwortung bewusst.

In welchem Bereich suchen solche Leute ganz konkret Hilfe?

Gilliéron: Die Frage für sehr junge Eltern lautet eigentlich immer: Wie kriege ich mein Leben in den Griff? Die Themen sind Wohnen, Arbeit und natürlich Finanzen. In der Regel sind beide Elternteile berufstätig, weil sie auf das Geld angewiesen sind. Und immer öfter werden auch junge Paare Eltern von Zwillingen. Dann sind die Herausforderungen oft doppelt so gross. Und unsere Hilfe doppelt so wichtig. Unser Psychologe kann die Paare, wenn nötig, auch coachen, weil sich mit einem Baby sehr vieles ändert in ihrem Leben und auch die Beziehung stark belastet wird. Psychologische Hilfe in solchen Fällen wird von der Krankenkasse nicht übernommen. Unser Ziel ist es aber, dass es dem Kind gut geht. Und wenn es den Eltern gut geht, kann sich das Kind gesund und behütet entwickeln. 

Auf Spenden angewiesen

Seit 1932 unterstützt die Mütterhilfe Schwangere, Mütter und Väter, wenn sie sich in einer psychischen und/oder finanziellen Notlage befinden. Die Angebote der Mütterhilfe sind entweder kostenlos oder nur teilweise kostenpflichtig, damit verzweifelte Familien, unabhängig von ihrem sozialen Status, professionelle Hilfe in Anspruch nehmen können. Um die Hilfeleistung zu finanzieren, braucht es Spenden von privaten Personen, Förderstiftungen und Firmen. Die Mütterhilfe ist eine von der Zewo anerkannte Non-Profit-Organisation.
Stiftung Mütterhilfe, Badenerstr. 18 , 8004 Zürich, Telefon: 044 241 63 43
PC 80–24969–9 
www.muetterhilfe.ch

 

 

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