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Interview

«Die Schweiz erreicht mindestens den Achtelfinal»

Von: Sacha Beuth

10. Juni 2014

Am 12. Juni beginnt in Brasilien die Fussballweltmeisterschaft. Die Schweiz ist wieder mit dabei und bestreitet ihr Startspiel am 15. Juni gegen Ecuador (13 Uhr Ortszeit). Für viele unserer Profis ist die Teilnahme der Höhepunkt ihrer Karriere. Doch einem WM-Kader anzugehören, hat auch seine Schattenseiten, insbesondere, wenn man nicht spielt. Einer, der die Situation genau kennt, ist der Zürcher Martin Brunner (51), langjähriger GC- und Natigoalie und Ersatztorhüter an der WM 1994 in den USA. Das «Tagblatt» sprach mit ihm über Lagerkoller, das Klima in Brasilien und die Chancen des Schweizer Teams.

Tagblatt der Stadt Zürich: Martin Brunner, was fühlt man als Fussballprofi, wenn man an einer WM teilnehmen darf?

Martin Brunner: Eine grosse Freude und auch Stolz – zumindest war dies in meinem Fall so, als mich der damalige Naticoach Roy Hodgson aufbot.

Wie bereitet man sich als Spieler am besten auf ein solches Turnier vor?

Das ist individuell verschieden. Jeder hat da so seine Ticks und Tricks, ­wo- bei er diese meist schon vor dem ­Turnier entwickelt hat und einfach beibehält. Nebst Fitness und richtiger ­Ernährung ist vor allem eine gute mentale Be­treuung wichtig. Heute hat ja fast jedes Team einen Psychologen ­dabei, der den Spielern zum Beispiel helfen kann, besser mit dem Druck umzu­gehen. Das war vor 20 Jahren noch nicht so.

Die Spieler werden längere Zeit in den Hotelresorts kaserniert sein. Wie verhindert man da einen Lagerkoller?

Eine gute Atmosphäre zu schaffen, ist der Schlüssel zum Erfolg. Natürlich muss bei jedem Teammitglied der Fokus auf dem Fussball liegen. Aber du kannst auch nicht 24 Stunden lang nur an Fussball denken, denn sonst geht die Freude daran verloren. Die Teamverantwortlichen sollten für Abwechslung sorgen und ein Rahmenprogramm organisieren, auch um das Gemeinschaftsgefühl zu stärken. Damals in den USA war das für meinen Geschmack leider zu wenig der Fall.

Ganz werden sich Unstimmigkeiten nie vermeiden lassen. Schliesslich kommt nicht jeder mit jedem gleich gut aus, und ausserdem müssen 12 der 23 Teilnehmer jeweils auf der Ersatzbank Platz nehmen.

Stimmt. Ein Fussballteam ist eine Interessengemeinschaft. Da müssen sich nicht alle gleich gut mögen, aber jeder muss dem anderen Respekt entgegenbringen und sich gelegentlich zum Wohl der Mannschaft unterordnen. Nur dann kann man das gemeinsame Ziel erreichen.

Während die Feldspieler berechtigte Hoffnungen auf einen Einsatz haben dürfen, sieht es für die Goalies 2 und 3 normalerweise düster aus. Wünscht man da nicht der Nummer 1 irgend­eine kleine Verletzung an den Hals?

Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich solche Gedanken nicht schon einmal gehabt hätte. Sie sind dann aber auch immer schnell wieder verschwunden. Der Erfolg als Team ist wichtiger. Ich habe Pascolo darum im Training auch immer voll unterstützt und bin überzeugt, dass er sich gleich verhalten hätte, wenn die Situation umgekehrt gewesen wäre. Zudem ist man als Nummer 2 oder 3 im Prinzip selber schuld, dass man nicht spielt. Dann war man zuvor eben nicht gut genug, sonst hätte der Trainer ja nicht einen anderen zur Nummer 1 gemacht.

Was ist Ihnen von der WM 1994 am meisten in Erinnerung geblieben?

Die perfekte Organisation der Amerikaner, der gepflegte Rasen im Silver­dome in Detroit, die tolle Atmosphäre in den Stadien und aus rein sportlicher Sicht natürlich unser 4:1 gegen Rumänien.

Ist das heutige Team besser besetzt als das von 1994?

Ich denke schon. Es hat nicht nur mehr Potenzial und internationale Erfahrung als wir damals, sondern die aktuellen Spieler sind auch gieriger nach Erfolg. Es genügt ihnen nicht, einfach nur dabei zu sein.

Einige Teams wachsen nach einem missglückten Start zusammen, andere brauchen einen Sieg im ersten Spiel und nehmen die Euphorie mit. Was wäre für die Schweiz das Beste?

Wir sind nicht Italien, das nur dann ein gutes Turnier spielt, wenn es zuvor einen Skandal gab. Ich glaube, unseren Spielern läuft es besser, wenn sie einen guten Start hatten und so der Druck im nächsten Match etwas geringer ist.

Das Schweizer Team muss in den Gruppenspielen in drei verschiedenen Klimazonen – in BrasÍlia, Salvador und Manaus – antreten. Ein Problem?

BrasÍlia und Salvador sollten kein Problem sein, wohingegen die hohe Luftfeuchtigkeit in Manaus einem schon zu schaffen machen kann. Aber damit muss auch der Gegner klarkommen.

Wie wird die Schweiz in Brasilien abschneiden?

Die Schweiz ist stärker als Honduras und Ecuador, und Frankreich halte ich nicht für unschlagbar – zumal es auf Ribery verzichten muss. Darum erreichen wir mindestens den Achtelfinal. Wenn alles stimmt, liegt sogar der ­Viertelfinal drin.

Und wer wird Weltmeister?

Brasilien oder Spanien. Beide haben die nötige Qualität dazu. Entscheidend ist, wie Brasilien mit dem riesigen Erwartungsdruck des eigenen Publikums klarkommt.

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