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Interview

Benno Schnüriger, der Präsident des Synodalrats. Bild: PD

"Ein eigenes Bistum Zürich wäre ein Geschenk"

Von: Isabella Seemann

23. Juli 2013

Das Provisorium dauert bereits 200 Jahre: 1821 hatte Papst Pius VII. die Schweizer Teile des Bistums Kon­stanz abgetrennt und Zürich dem Bistum Chur zugeschlagen, indes nur als Administrationsgebiet, nicht als eigentlicher Teil davon. Diesen Zustand wollen die Zürcher Katholiken beenden und ein Bistum Zürich errichten. Welche Herausforderungen dabei zu meistern sind, erklärt Benno Schnüriger, der Präsident des Synodalrats, der Exekutivbehörde der Katholiken im Kanton Zürich.

Tagblatt der Stadt Zürich: Herr Schnüriger, welche Hoffnungen verbinden Sie mit der Gründung des Bistums Zürich?

Benno Schnüriger: Nach katholischem Kirchenverständnis ist das Bistum die Ortskirche; für den einzelnen Katholiken also die Kirche, wo er die Gemeinschaft mit seinem Bischof erlebt. Der Bischof wiederum soll nahe bei seiner Herde sein, biblisch gesprochen. Dies ist gegenwärtig nicht gegeben. Zürich liegt weit entfernt vom Bischofssitz, von den Problemen der Städter bekommt der Bischof in Chur kaum etwas mit, was immer wieder zu Reibereien führt.

Hand aufs Herz, ist das Projekt nicht bloss der Zürcher Arroganz geschuldet, weil man keinen Chef duldet, der in der Provinz hockt?

Schnüriger: Keineswegs, der Kanton Zürich entspricht mit rund 390 000 Katholiken den idealtypischen Vorstellungen eines Bistums. Zudem sollen bei der Neuaufteilung drei neue Bistümer entstehen: neben Zürich auch Luzern und Genf. Damit würden die Bistümer Chur und Basel massiv verkleinert, womit eine Forderung des Zweiten Vatikanischen Konzils erfüllt wäre, das einheitliche und zusammenhängende Diözesen anstrebte. Die Zürcher Katholiken ersuchten bereits 1990 mit dem Segen des Churer Bischofs um ein eigenes Bistum. Nun erneuern wir unser Gesuch, denn die Gründe sind dieselben geblieben.

Was würde sich für den einzelnen Katholiken ändern?

Schnüriger: Zürcher Katholiken haben eine ganz andere Frömmigkeit als jene der Innerschweiz, wo es nie eine Reformation gab. In Zürich und Genf sind die Katholiken erst später wieder eingewandert und mussten sich der reformierten Mehrheit anpassen. So ist beispielsweise die Ökumene, also die Beziehungen zwischen den christlichen Kirchen und Institutionen, in Zürich sehr wichtig. Ein Bistum Zürich ermöglicht es, diesbezüglich pragmatischer zu handeln und etwa für die 50 Prozent konfessionell gemischten Ehen einfacher Lösungen zu finden.

Reklamieren Sie nicht Sonderrechte ein für ein aufgeschlossenes Zürich, die ein konservativer Bischof in Chur nicht gewähren kann?

Schnüriger: Es ist richtig, dass Bischof Huonder und Teile der Diözese derzeit unterschiedliche Ansichten darüber haben, wie die Kirche im Kanton Zürich geführt werden soll. Der Synodalrat der Zürcher Kirche will jedoch die Bistumsfrage nicht mit der Bischofsfrage verknüpfen.

Die Diskussion um ein Bistum Zürich kommt doch immer auf, wenn den Zürchern ein konservativer Bischof in Chur nicht passt. Sind die alteingesessenen Zürcher Katholiken schon «durchreformiert»?

Schnüriger: Wir sind natürlich höchst katholisch, aber in unserer Gesellschaft gibt es Entwicklungen, an denen wir nicht vorbeischauen können, wie die gemischten oder geschiedenen Ehen. Ein Bischof hat nun mal die Schäfchen, die er hat. Er kann nicht einfach sagen, er hätte lieber andere Katholiken. Ein Bischof hier vor Ort, so glauben wir, würde besser spüren, welche Bedürfnisse die Zürcher Katholiken haben.

Der Papst würde doch in Zürich sicherlich einen ebenso konservativen Bischof einsetzen wollen wie in Chur.

Schnüriger: Die Bischofsernennung ist in der Tat ein grosser Zankapfel. Früher war es üblich, das Volk einer Diözese an der Bischofswahl zu beteiligen. Wer an der Spitze von allen ist, soll auch von allen gewählt werden, hiess die Devise. Mit den Jahrhunderten ging die Wahl immer mehr an die Oberen über. Im Bistum Chur darf zwar das Domkapitel den Bischof aus einem Dreiervorschlag aus Rom wählen. Wir hingegen wollen das alte Recht wiederbeleben, einen Dreiervorschlag nach Rom zu schicken, aus dem dann der Papst einen Bischof ernennen kann. Somit wäre gewährleistet, dass dieser eine breite Abstützung in seinem Bistum hat. Momentan ist dieser Punkt die grösste Herausforderung des Projekts.

Wie schätzen Sie die Haltung des Papstes zu einem Bistum Zürich ein?

Schnüriger: Papst Johannes Paul II. war extrem zentralistisch, Papst Benedikt XVI. eher zentralistisch, während Papst Franziskus bereits angedeutet hat, dass Entscheidungen nicht allein in Rom getroffen werden sollen. Die Chancen stehen also nicht schlecht, dass er unserem Anliegen wohlgesonnen ist.

Sind die zugewanderten Katholiken aus Brasilien, Süddeutschland oder Afrika konservativer als die alteingesessenen?

Schnüriger: Die Zürcher Katholiken sind in der Erscheinungsform sicherlich nüchterner und spröder. Portugiesischsprachige Gottesdienste sind stets voll, es wird gesungen, die Kommunion ist ein wichtiges Erlebnis und wird richtig gefeiert. Wir bringen hingegen flachere Hierarchien und das duale System mit der Kirchenpflege ein. So befruchten wir uns gegenseitig.

Erhoffen sich die Zürcher Katholiken mehr Prestige und Pomp mit einem eigenen Bischof in der Stadt?

Schnüriger: Mit einem eigenen Bischof würden Zürcher Katholiken stärker wahrgenommen, unsere Stimme hätte mehr Gewicht. Mit einem Bischofspalast können und wollen wir aber nicht dienen. Der Bischof würde, wie schon zuvor die Weih­bischöfe, hier an der Schienhutgasse beim Hirschengraben in einer bescheidenen Wohnung leben. Nur bei der Messe und wichtigen Amtshandlungen würde es feierlicher zu- und hergehen, wenn der Bischof den Bischofsstab und die Mitra trägt.

Sind Sie zuversichtlich, dass sich das Projekt Bistum Zürich in absehbarer Zeit verwirklicht?

Schnüriger: Es wäre ein schönes Geschenk, wenn wir spätestens 2021, also 200 Jahre, nachdem wir vom Bistum Konstanz getrennt wurden, endlich das eigene Bistum Zürich hätten.

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