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Interview

Sieht andere Institutionen bei der Suche nach einem Corona-Impfstoff im Vorteil: Urs Greber, Virenexperte der Universität Zürich. Bild: Uni Zürich

«Einen sicheren Impfstoff zu finden braucht Zeit»

Von: Sacha Beuth

18. Mai 2020

Mit Hochdruck wird überall auf der Welt nach einem Impfstoff gegen das Coronavirus gesucht. Erste Schritte sind bereits gemacht, doch bis ein solches Mittel auch eingesetzt werden kann, werden laut Urs Greber, Professor für Molekulare Zellbiologie an der Universität Zürich, noch ein, zwei Jahre vergehen. Ein Vorteil ist, dass das Virus langsamer mutiert als viele andere Viren.

Wie ein Damoklesschwert schwebt das Coronavirus SARS CoV-2, welches die Krankheit COVID-19 auslöst, über unserem Alltag. Die wirksamste Waffe dagegen wäre ein Impfstoff. Doch die Suche nach einem sicheren Mittel geht nicht auf die Schnelle und ist mit einigen Schwierigkeiten verbunden, wie Urs Greber, Professor für Molekulare Zellbiologie an der Universität Zürich weiss.

Das Coronavirus (SARS-CoV-2) ist mit dem SARS-Virus (SARS-CoV-1) eng verwandt. Bei letzterem wurde ein potenzieller Impfstoff bereits erfolgreich an Tieren getestet. Warum gibt es trotzdem bis jetzt keinen Impfstoff gegen Corona?

Urs Greber: Weil das SARS-Virus nach einigen Monaten wieder verschwand, und die weitere Finanzierung des Projektes und somit die weitere Impf-Forschung auf diesem Gebiet eingestellt wurde. Es gab auch keine Betroffenen mehr, die man mit einem Impfstoff hätte behandeln können. Ausserdem ist es nicht immer möglich, von einem Virus auf den anderen zu schliessen, selbst wenn sie eng verwandt sind.

Corona soll von Fledermäusen stammen. Sicher ist man bis heute nicht. Wie wichtig ist das Wissen um die genaue Herkunft des Virus für die Entwicklung eines Impfstoffs und warum ist es so schwierig, die Herkunft zu eruieren?

Die Herkunft des Virus hat keinen direkten Einfluss auf einen Impfstoff. Zu wissen, woher das Virus stammt, ist aber wichtig, um Massnahmen zu treffen, die verhindern, dass ähnliche Viren wieder auf den Menschen übergreifen. Wir wissen zwar, dass Viren, die man bei Fledermäusen fand, genetisch zu 95 Prozent mit SARS CoV-2 identisch sind. Aber die fehlenden fünf Prozent legen nahe, dass es noch einen tierischen Zwischenwirt gegeben hat, von dem das Virus auf den Menschen sprang. Und der wurde bislang noch nicht gefunden.

Wo stehen die einzelnen Länder bei der Entwicklung eines Impfstoffs? Und wo stehen die Forscher der Universität Zürich?

Es gibt weltweit Dutzende von Programmen und viele Ideen, einen Impfstoff zu entwickeln. Auch Forscher der Universität Zürich beschäftigen sich damit. Allerdings ist es nicht unbedingt eines ihrer primären Ziele. Man darf nicht vergessen, dass es dabei nicht nur grosses Know-how, sondern auch eine robuste Technologie und viel Geld braucht. Andere Universitäten haben Prioritäten auf diesem Gebiet gesetzt, wie zum Beispiel die Universität Oxford, die mit einem Impfstoff gegen SARS-CoV-2 in Rhesusaffen bereits einen sehr starken Schutz vor SARS-CoV-2 Virenbefall und die komplette Verhinderung von schwerer Lungenkrankheit erzielt hat

Welche Ansätze sind am erfolgversprechendsten?

Man muss hier generell auf mehreren Schienen fahren. Fakt ist jedenfalls: Ohne Gentechnologie läuft heute nichts mehr. Ich denke, dass es darauf hinauslaufen wird, in einem Anfangsstadium der Krankheit leichte Symptome mit Pharmazeutika zu hemmen oder gar zu blockieren. Bei starken klinischen Symptomen wie Erstickungsgefahr und Atemwegsproblemen werden aber wohl andere Therapien nötig sein. Solange keine Impfung zur Verfügung steht, ist man auf Medikamente angewiesen, die gegen andere Krankheiten als COVID-19 zugelassen sind. Es ist zu hoffen, dass diese eine gewisse lindernde Wirkung haben. Dabei muss man allerdings bedenken, dass antivirale Medikamente in einer frühen Phase der Erkrankung verabreicht werden sollten, bevor ein überaktives Immunsystem Schäden angerichtet hat.

Ist mutiertes SARS CoV-2 hochinfektiös? Mutiert es schneller als andere Viren?

Es gibt keine mir bekannten Daten, die zeigen, dass das Virus stärker mutiert als erwartet, geschweige denn dabei infektiöser wird. Im Gegenteil: Das Virus mutiert langsamer als andere Viren wie etwa das Influenzavirus oder das Rhinovirus, welche die Grippe oder die allgemeine Erkältung auslösen.

Wie lange dauert es noch, bis ein Impfstoff gefunden ist und eingesetzt werden kann?

Bis die Sicherheit und die Wirksamkeit eines Impfstoffs getestet sind, braucht es Zeit, grosse Infrastruktur zur Produktion in grossen Mengen und viel Geld. Und es braucht Freiwillige, die sich für die Impfstofftests zur Verfügung stellen. Ohne gründliche Tests darf es keine Zulassung für die Massenverwendung einer SARS-CoV-2-Impfung (oder auch anderer Impfstoffe) geben. Die meisten Experten rechnen mit ein bis zwei Jahren, bis breite Kreise der Bevölkerung geimpft werden können. Normalerweise dauert die Entwicklung eines Impfstoffs weit länger. Weil wir schon relativ viel über das Virus wissen, weil gegen andere Erreger erprobte Impftechnologien zur Verfügung stehen und weil eine Impfung gegen SARS-CoV-2 eine hohe Dringlichkeit hat, könnte es diesmal schneller gehen

Italienische Forscher sagen, dass das Coronavirus anders als SARS nicht komplett eliminiert werden kann.

Das könnte zutreffen, obwohl es für eine verlässliche Prognose noch zu früh ist. Anders als SARS-CoV-1, bei dem es zu relativ lokalen Epidemien kam, hat SARS-CoV-2, also Corona, eine Pandemie ausgelöst und ist weltweit verbreitet. Hinzu kommt, dass SARS-CoV-2 infizierte Personen schwerer sicher zu erkennen sind als SARS-CoV-1 Infizierte, da sie das Virus in sich tragen können, ohne die typischen Symptome zu zeigen. Um Corona sicher auszurotten, müssten sich alle Menschen auf der Welt mehr oder weniger zeitgleich impfen lassen. Das ist schwierig zu bewerkstelligen.

Was wird zuerst kommen: Ein Impfstoff oder eine zweite Corona-Welle, die einige Fachleute für den Herbst voraussagen?

Man vermutet, dass gegenwärtig nur ein kleiner Teil der Bevölkerung immun gegen das Virus ist. Darum kann es gut sein, dass wenn die Temperaturen wieder sinken und damit die Atemwege für Viren empfindlicher werden, eine neue Welle kommt. Das wird auch davon abhängen – man kann es nicht oft genug betonen – wie gut sich Leute an Abstands- und Hygiene-Regeln halten.

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