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Interview

Mike Schwede referiert seit 15 Jahren über Digitalthemen. Bild: PD

"Facebook ist eine einmalige Plattform für die Stadträte"

Von: Clarissa Rohrbach

12. März 2013

Die Stadt Zürich hat seit Anfang Jahr eine eigene Facebook-Seite. Diese begeistert Jung und Alt (siehe Box). Doch wie präsentieren sich unsere Stadträte auf der Webplattform? Social-Media-Ex­perte Mike Schwede nimmt die Internetauf­tritte unter die Lupe und erklärt, wieso eine Facebook-Seite heutzutage für einen Politiker unverzichtbar ist.

Tagblatt der Stadt Zürich: Herr Schwede, wie erfolgreich präsentieren sich die Zürcher Stadträte auf Facebook?

Mike Schwede: Die offiziellen Seiten wurden einheitlich gestaltet, das finde ich gut. Das Corporate Design ist durch die Coverbilder mit dem Stadtlogo spürbar. Denn Branding ist bei Politikern unverzichtbar. Eine öffentliche Person muss sich präsentieren wie eine Marke.

Einige Stadträte haben aber nur ein privates Profil oder gar keins.

Schwede: Ein Stadtrat sollte eine offizielle Facebook-Seite haben und das private Profil ausschliesslich für private Bekanntschaften nutzen. Nicht jeder möchte sich mit Unbekannten befreunden und seine Privatsphäre aufgeben. Zudem ist bei privaten Profilen die Freundeszahl auf 5000 Personen begrenzt, dazu gibt es auch keine Statistiken oder Werbemöglichkeiten.

Corine Mauch oder auch André Odermatt sind aus Zeitgründen auf eben solche offizielle Seiten umgestiegen, die sie wohl nicht mehr selber verwalten. Sollten Politiker die Betreuung der Seiten jemandem abgeben?

Schwede: Wenn ein Politiker seine Seite selber betreut, spürt man die Person besser raus, und es wird Nähe erzeugt. Dies ist aber tatsächlich zeitintensiv. Deswegen ist es in Ordnung, wenn jemand assistiert. Allerdings sollten ab und zu selber gemachte Bilder oder Kommentare einfliessen, und sämtliche Inhalte eng abgestimmt werden. Ein Schnappschuss mit dem Handy nimmt nicht viel Zeit und erzeugt eine authentische Bildsprache, die unverzichtbar ist. Heutzutage müssen Politiker das perfekte Image ablegen. Menschlichkeit ist gefragt.

Andres Türler spricht auf seiner Seite offen über die Überlastung bei der Vertretung der kranken Ruth Genner. Ist diese Ehrlichkeit akzeptabel?

Schwede: Transparenz ist sogar sehr gut. Genau dank solchen Statements wird der Politiker als Mensch wahrgenommen, Vertrauen wird aufgebaut. Die Bürger wollen heute normale Personen in der Regierung, keine Phrasendrescher. Es ist auch wichtig, dass die Politiker ihre eigene Meinung auf Facebook kundtun und der Bevölkerung Fragen stellen. Interaktion ist das A und O von Social Media. Deswegen sollte man auch zulassen, dass Leute auf die Seiten posten können, um Missstände oder Anliegen zu melden. Diese Funktion wurde bei Corine Mauch abgestellt, das hat mich überrascht.

Ist der Dialog notwendig?

Schwede: Ja, das ist das Hauptziel bei Social Media. Es ist die Aufgabe von Politikern, zu spüren, was die Leute wollen. Das Interesse der User gewinnt man durch die richtigen Fragen, nicht durch Antworten. Längerfristig muss man die Bevölkerung einbinden. Frankfurt bindet zum Beispiel die User auf einer speziellen Plattform in den Budgetierungsprozess ein. Statt Wutbürger entsteht Dialog. In diesem Fall mehr als 1200 Vorschläge und 3500 Kommentare.

Braucht es denn heute Facebook, um zu politisieren?

Schwede: Jeden Monat sind 3 Millionen Schweizer täglich 20 Minuten auf Facebook. Diese Reichweite hat keine Zeitung. Wie schon früher, müssen Politiker dort hingehen, wo die Leute sind. Facebook ist eine einmalige Plattform, um ungefiltert, ohne Medien, mit dem Publikum zu kommunizieren.

Vor allem ältere Leute tun sich aber schwer mit Facebook.

Schwede: Politiker einer anderen Ära präsentierten sich tatsächlich anders. Doch das ist keine Ausrede. Wer heute politisieren will, muss sich mit den modernen Medien auseinandersetzen. Denn sie sind relevant und effizient.

Was könnte an den Seiten der Stadträte verbessert werden?

Schwede: Die meisten Seiten sind sympathisch und abwechslungsreich. Doch die Beiträge sollten kurz und bündig, idealerweise zwischen 80 und 200 Zeichen sein. Auf regelmässiges Posten, drei- bis fünfmal pro Woche, sollte auch geachtet werden. Allgemein sollten die Seiten weniger zur Selbstdarstellung, sondern mehr zum Dialog dienen. Durch Befragungen wird Reichweite erzeugt. Meinungen, Ecken und Kanten machen zudem interessant. Wettbewerbe, zum Beispiel für ein Abendessen mit der Person, sind effektiv, passen zum Thema Bürgernähe und machen die Seiten beliebter. 

Zürcher Stadträte auf Facebook

Corine Mauch hat seit August 2012 eine offizielle Seite, die fast jeden Tag über ihre Aktivitäten informiert. Sie gefällt 500 Personen. Das private Profil mit 2395 Freunden betreut sie nicht mehr aktiv.

André Odermatt hat in drei Jahren mit seinem privaten Profil fast 900 Freunde gewonnen. Seit Dezember führt er wegen zeitlicher Gründe eine offizielle Seite. Diese gefällt 139 Personen.

Claudia Nielsen führt seit 2011 eine offizielle Seite, worauf sie ab und zu auch vom Handy aus schreibt. Sie hat 220 Anhänger. Auf ihrem privaten Profil wirbt sie gegen Atomkraft und hat 663 Freunde.

Daniel Leupi hat seit 2009 nur ein privates Profil mit 555 Freunden. Darauf informiert er unter anderem auch über private Aktivitäten, die er mit seiner Familie unternommen hat.

Andres Türler hat seit Februar eine offizielle Seite, die praktisch täglich über Aktivitäten, Meinungen und das Departement informiert. Sie gefällt 45 Personen.

Gerold Lauber hat ein privates Profil, das für alle gesperrt ist, die nicht mit ihm befreuendet sind. Seine Facebook-Aktivitäten sind nicht öffentlich einsehbar.

 

Die Stadt auf Facebook

Vom Facebook-Auftritt der Stadt Zürich (www.facebook.com/stadtzuerich) soll sich eine alteingesessene Zürcherin genauso angesprochen fühlen wie ein Heimwehzürcher oder alle Neuzuziehenden. Wer den «Gefällt mir»-Button anklickt, wird über Aktuelles, Nützliches und Interessantes zur Stadt Zürich, aus der Verwaltung oder der Politik informiert. Fragen, Anliegen und Hinweise sind ebenfalls willkommen. Spätestens an Ostern wird der 2000. Fan begrüsst werden können.

Eine Übersicht über sämtliche Social-Media-Angebote der Stadtverwaltung und der Mitglieder des Stadtrats sind auf der städtischen Website unter www.stadt-zuerich.ch/socialmedia aufgelistet. 

 

 

 

 

 

 

 

 

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