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Interview

«Die süsseste Versuchung, seit es Olympiagold gibt»: Dominique Gisin gewann zusammen mit Tina Maze die Frauenabfahrt in Sotschi 2014. Bild: 4sports & Entertainment AG

«Freue mich, wenn der Böögg lange brennt»

Von: Sacha Beuth

10. April 2014

An den Olympischen Winterspielen in Sotschi sorgte Dominique Gisin für eine der grössten und – aus Schweizer Sicht – erfreulichsten Überraschungen. Die 28-jährige Engelbergerin gewann zeitgleich mit der haushohen Favoritin Tina Maze Gold in der Frauen-Abfahrt. Im Interview mit dem «Tagblatt» spricht Gisin über den bislang grössten Erfolg ihrer Karriere, ihren Heimatkanton, was das Sechseläuten für sie bedeutet und warum sie beinahe nicht Skirennfahrerin geworden wäre.

Tagblatt der Stadt Zürich: Dominique Gisin, als Olympiasiegerin wären Sie die ideale Repräsentantin Ihres Heimatkantons am Sechseläuten. Warum sind Sie nicht dabei?

Dominique Gisin: Ich wurde zwar angefragt und wäre auch sehr gerne gekommen. Doch leider fällt der Termin auf die einzige Zeit, in der ich in Ferien gehen kann, weshalb ich schliesslich absagen musste.

Inwieweit ist Ihnen der Zürcher Brauch überhaupt bekannt?

Den Brauch kennt wohl jeder in der Schweiz. Ich habe den Umzug schon als Kind am TV mitverfolgt. Als Skifahrerin freue ich mich immer, wenn der Böögg möglichst lange brennt und einen verlängerte Winterperiode bzw. einen kurzen Sommer prophezeiht.

Wie gut kennen Sie unsere Stadt und was schätzen Sie an Zürich besonders?

Als typisches Mädchen der Berge kenne ich Zürich wie auch andere Schweizer Grossstädte nicht besonders gut. Wenn ich gelegentlich hierher komme, dann sehe ich mir gerne die Altstadt an oder geniesse die Atmosphäre und die Aussicht am See.

Und was müssen die Zürcherinnen und Zürcher unbedingt von Ihrem Kanton wissen?

Dass er herzliche und gastfreundliche Bewohner hat. Dass es ein idyllischer Kanton ist, den man von Zürich aus sehr schnell erreicht und wo man prima die Berglandschaft geniessen kann. Zum Beispiel den Titlis. Ich finde, diesen Berg muss man mindestens einmal im Leben besucht haben. Ausserdem haben wir ganz tolle Skigebiete wie Melchsee-Frutt oder Engelberg-Titlis. Im Hochsommer ist es zudem nicht so heiss und man kann gemütlich am Sarner- oder Lungerensee wandern. Und dann habe ich noch zwei wichtige Tipps: In Engelberg gilt es als Todsünde, wenn Älplermagronen ohne Apfelmuus isst. Und man sollte uns nicht mit den Nidwaldner verwechseln. Das wäre etwa so, wie wenn man Zürcher mit Aargauern verwechseln würde.

Nun sind es rund zwei Monate her, seit Sie in Sotschi Gold in der Abfahrt geholt haben. Was hat sich seither für Sie verändert?

Zum Glück nicht so viel. Ich stehe jetzt zwar mehr im öffentlichen Interesse und es gibt mehr Leute, die mich erkennen. Aber ich habe schon vorher ein schönes Leben gehabt. Der Olympiasieg war ein grosses Ziel, für das ich lange und hart trainiert hatte und nun geschafft habe.

Beschreiben Sie doch bitte Ihre Gefühle, die Sie am Tag des Abfahrts-Rennens hatten?

Vor dem Rennen fühlte ich sehr hohe Spannung. Die war wichtig, denn nur so kann ich die volle Leistunga abrufen. Während der Fahrt habe ich dann gemerkt, dass alles nach Plan verläuft. Beim Durchqueren der Ziellinie, rekapitulierte ich kurz, ob ich so gefahren bin, wie ich es mir vorgenommen hatte. Erst dann habe ich einen Blick auf die Zeittafel geworfen und sah mich bestätigt. Ich fühlte eine innere Befreiung, musste aber erst noch eine Zeit lang in die Leaderbox und warten. Das waren wohl die längsten Minuten meines Lebens. Als schliesslich die 30. Fahrerin unten war wusste ich, jetzt habe ich es geschafft. Ich fühlte eine grosse Freude und habe versucht, den Moment zu geniessen. Welche Bedeutung dieser Erfolg hat, war mir nicht voll bewusst – und ist es teilweise jetzt noch nicht.

Wieso haben Sie sich eigentlich entschieden, Profi-Skirennfahrerin zu werden?

Meine Eltern sind zwar nie Rennen, aber immer gerne Ski gefahren und haben mich und meine Geschwister schon von klein auf mit diesem «Virus» infiziert. Und so habe ich bereits in der Primarschule in jedes Heft geschrieben, dass ich eines Tages wie mein Vorbild Vreni Schneider Skirennfahrerin werden will.

Nicht viel hätte allerdings gefehlt und Sie wären Kampfpilotin geworden. Warum hat das nicht geklappt?

Ich war schon immer fasziniert vom Fliegen. Als ich eine Verletzung auskurierte, riet mir ein guter Bekannter, die fliegerische Vorschule fürs Militär zu machen. Ich wurde dann auch angenommen, mir war aber auch bald klar, dass man nicht Profi-Skifahrerin und Militärpilotin gleichzeitig sein kann. Ich hätte mich also entscheiden müssen und dieser Entscheid wurde mir dann abgenommen, weil ich wegen meiner Knieverletzung als untauglich eingestuft wurde. Das klingt jetzt vielleicht etwas merkwürdig. Zum damaligen Zeitpunkt war die Diagnose aber wohl korrekt, obwohl sich mein Knie zum Glück in der Zwischenzeit wieder regenerieren konnte. Das Fliegen habe ich aber deswegen nie ganz aufgegeben und währenddessen die Privatpilotenlizenz gemacht.

Welche sportlichen Ziele haben Sie sich für die Zukunft gesteckt?

Für die nächste Saison will ich im Riesenslalom mehr zur Spitze aufschliessen und in der Abfahrt und im Super-G jeweils die Leistung von Sotschi abrufen, damit ich regelmässig um Podestplätze mitfahren kann. Vor allem aber hoffe ich, dass ich vor weiteren Verletzungen verschont werde.

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